Das Amtsgericht München hat am 18.05.2021 zum Aktenzeichen 172 C 9887/20 entschieden, dass der Reiseveranstalter die Beweislast dafür trägt, dass es ihm aufgrund der pandemischen Überforderungssituation nicht möglich war, den Reispreis fristgerecht zurückzuzahlen und er somit nicht für den Verzug der Rückzahlung einzustehen hat, sodass die Verpflichtung zur Erstattung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten grundsätzlich möglich ist.
Aus dem Newsletter des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V. vom 02.12.2021 ergibt sich:
Das AG München hatte einen Fall zu entscheiden, dem folgender Sachverhalt zu Grunde lag: Die Parteien streiten über den Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach Stornierung einer Pauschalreise des Klägers nach Zypern vom 23.03.2020 bis 06.04.2020 zum Gesamtreisepreis von 1.062,00 € durch die Beklagte. Die Beklagte stornierte die Reise aufgrund der Entwicklungen der Corona-Pandemie mündlich und per E-Mail gegenüber dem Kläger. In einem folgenden Telefonat bot die Beklagte dem Kläger die Umbuchung der Reise an. Der Kläger wollte sich dies überlegen und es wurde die Übersendung eines Angebots zur Umbuchung per E-Mail sowie ein Rückruf vereinbart. Zur Übersendung eines prüffähigen Angebots kam es indes nicht, sodass der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Reiseveranstalter unter Fristsetzung zum Ausgleich der geleisteten Zahlungen aus dem Reisevertragsverhältnis sowie der im Rahmen der Rechtsverfolgung entstandenen anwaltlichen Kosten auffordert. Sodann zahlte der Reiseveranstalter den vollständigen Reisepreis in Höhe von 1.062,00 € an den Kläger zurück. Das Gericht sieht die Klage als weitgehend begründet an und urteilte, dass dem Kläger überdies auch ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € zusteht.
Zwischen den Parteien bestand ein Pauschalreisevertrag, von dem die Beklagte zurückgetreten ist. Der Reiseveranstalter verliert mit dem Rücktritt den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis, wobei die Rückerstattung des Reisepreises unverzüglich jedenfalls innerhalb von 14 Tagen nach dem Rücktritt zu leisten ist. Unter Berücksichtigung der zunächst angebotenen und vom Kläger auch in Erwägung gezogenen Umbuchung trat Verzug der Beklagten jedoch erst mit Ablauf der vom Kläger zur Rückzahlung gesetzten Frist ein. Der Verzug ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Reiseveranstalter aufgrund der Überforderungssituation nicht für die Kosten einzustehen hat. Zwar ist eine Überforderungssituation aufgrund der pandemischen Lage grundsätzlich ein möglicher Entschuldigungsgrund, jedoch trägt die Beklagte für fehlendes Verschulden die Darlegungs- und Beweislast. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten hätten Rückabwicklungen sowie Rückerstattungen von Reisepreisen der mehreren zehntausend Buchungen aus Kapazitätsgründen bis Mitte April 2020 nicht durchgeführt werden können, weil die komplette Arbeitszeit der Mitarbeiter der Beklagten in der Kundenbetreuung mit vorrangigen Aufgaben ausgefüllt war. Nach Überzeugung des Gerichts konnte die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast jedoch nicht genügen, sodass auch die entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanawaltskosten des Klägers zu ersetzen sind.