Der Europäische Gerichtshof hat am 02.12.2021 zum Aktenzeichen C-484/20 entschieden, ob das in der Zahlungsdienste-Richtlinie 2015/2366 vorgesehene Verbot von Zusatzentgelten für alle ab dem 13.01.2018 bewirkten Zahlungsvorgänge gilt, unabhängig davon, ob der der Zahlung zugrundeliegende Vertrag vor oder nach diesem Zeitpunkt geschlossen wurde.
Aus der Pressemitteilung des EuGH vom 02.12.2021 ergibt sich:
Vodafone Kabel Deutschland GmbH (kurz: Vodafone) ist in Deutschland als Kabelnetzbetreiber und Internetzugangsprovider tätig. Seit der Umsetzung der Richtlinie 2015/2366 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt in deutsches Recht ab dem 13. Januar 2018 unterscheidet Vodafone zwischen Verträgen über Telekommunikations- und Kabeldienstleistungen, die vor diesem Datum abgeschlossen wurden, und solchen, die danach abgeschlossen wurden. Auf die erste Kategorie der Verträge wendet Vodafone aufgrund einer AGB-Klausel eine sogenannte „Selbstzahlerpauschale“ von 2,50 Euro je Zahlungsvorgang für Kunden an, die keine Ermächtigung zum Bankeinzug erteilen, sondern die Rechnungen selbst mittels SEPA-Überweisung begleichen. In der für die zweite Kategorie der Verträge geltenden Preisliste findet sich diese Klausel hingegen nicht mehr.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. ist der Ansicht, dass die Erhebung von Zusatzentgelten ab dem 13. Januar 2018 auch für Zahlungsvorgänge verboten sei, die nach diesem Datum in Erfüllung von davor geschlossenen Verträgen bewirkt würden, da Art. 62 Abs. 4 der Richtlinie 2015/2366 mit dem 13. Januar 2018 gleiche Bedingungen im Binnenmarkt herstellen wolle. Der Bundesverband hat Vodafone daher vor den deutschen Gerichten verklagt mit dem Ziel, Vodafone die Anwendung der Selbstzahlerpauschale auf alle ab dem 13. Januar 2018 bewirkten Zahlungsvorgänge zu untersagen. Das in zweiter Instanz mit dem Rechtsstreit befasste Oberlandesgericht München hat den Gerichtshof in diesem Zusammenhang um Auslegung der Zahlungsdienste-Richtlinie ersucht.
Mit seinem Urteil antwortet der EuGH dem OLG München wie folgt:
Art. 62 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder Gepflogenheit entgegensteht, nach der das Verbot der Erhebung von Entgelten für die Nutzung der in dieser Bestimmung genannten Zahlungsinstrumente und Zahlungsdienstleistungen im Rahmen von mit Verbrauchern geschlossenen Dauerschuldverhältnissen nur für Zahlungsvorgänge gilt, die in Erfüllung von nach dem 13. Januar 2018 geschlossenen Verträgen bewirkt werden, so dass diese Entgelte auf Zahlungsvorgänge anwendbar bleiben, die nach diesem Datum in Erfüllung von davor abgeschlossenen Dauerschuldverhältnissen bewirkt werden.
Art. 62 Abs. 4 der Richtlinie lautet: „Die Mitgliedstaaten stellen in jedem Fall sicher, dass der Zahlungsempfänger keine Entgelte für die Nutzung von Zahlungsinstrumenten verlangt, für die mit Kapitel II der Verordnung (EU) 2015/751 Interbankenentgelte … geregelt werden, und für die Zahlungsdienstleistungen, auf die die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. 2012, L 94, S. 22)] anwendbar ist.“
Aus einer systematischen Auslegung dieser Bestimmung ergebe sich, dass das Verbot der Erhebung von Entgelten für die Nutzung der darin genannten Zahlungsinstrumente und Zahlungsdienstleistungen für alle ab dem 13. Januar 2018 bewirkten Zahlungsvorgänge gilt. Diese Auslegung entspreche auch dem Ziel der Richtlinie, die Regeln für Zahlungsdienste zu harmonisieren und Verbraucher zu schützen.