Hartz IV: Elektronisches Wörterbuch vom Jobcenter

25. November 2021 -

Das Sozialgericht Oldenburg hat am 16.11.2021 zum Aktenzeichen S 37 AS 1268/19 entschieden, dass das Jobcenter verpflichtet ist, einer Schülerin die Kosten für ein elektronisches Wörterbuch als Mehrbedarf nach dem SGB II zu erstatten.

Aus der Pressemitteilung des SG Oldenburg vom 24.11.2021 ergibt sich:

Die im Jahr 2003 geborene Klägerin, die gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern ergänzende Leistungen nach dem SGB II bezieht, ist Schülerin an einer berufsbildenden Schule. Von der Schule wurde die Klägerin aufgefordert, für den Sprachunterricht des folgenden Schuljahres ein elektronisches Wörterbuch der Firma Casio zum Preis von 138,90 € anzuschaffen. Die Klägerin beantragte daraufhin beim Jobcenter die Erstattung der Kosten dieses Wörterbuches, was das Jobcenter ablehnte. Das Jobcenter vertrat dabei die Auffassung, dass das Wörterbuch zu dem persönlichen Schulbedarf zu rechnen sei, dessen Kosten von der Beklagten durch die bereits bewilligten Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II abgedeckt seien.

Das Sozialgericht Oldenburg hat das Jobcenter jetzt mit Urteil vom 16.11.2021 zur Übernahme der Kosten für das elektronische Wörterbuch verurteilt. Nach Auffassung der 37. Kammer des Sozialgerichtes würden die Kosten für die Anschaffung eines solchen elektronischen Wörterbuches weder von den Leistungen erfasst, die vom Jobcenter für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf erbracht würden (§ 28 Abs. 3 SGB II) noch seien sie vom Regelbedarf nach § 20 Abs. 1 SGB II abgedeckt.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien die Kosten für die Anschaffung von Schulbüchern zwar grundsätzlich vom Regelbedarf nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst. Bei der Ermittlung des Regelbedarfes von Leistungsempfängern nach dem SGB II sei jedoch der Bedarf für die Beschaffung von Schulbüchern nicht in strukturell realitätsgerechter Weise zutreffend erfasst worden. Bei dieser Regelbedarfsermittlung habe der Gesetzgeber vielmehr Kosten für die Anschaffung von Schulbüchern lediglich in einer Höhe von 2,55 € pro Monat (= 30,60 € jährlich) berücksichtigt. Damit sei der Bedarf für die Beschaffung von Schulbüchern zumindest in Ländern, die – wie Niedersachsen – keine Lehrmittelfreiheit garantieren würden, nicht abzudecken. Die Kosten für die Beschaffung von Schulbüchern sei deshalb ein Mehrbedarf (§ 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II), der Leistungsempfängern nach dem SGB II zusätzlich zu den sonstigen Leistungen zu gewähren sei.

Anders als sonstige technische Geräte (wie zum Beispiel Tabletts oder Laptops) sei das elektronische Wörterbuch bezüglich des Kostenersatzes wie ein Schulbuch zu behandeln. Das digitale Wörterbuch habe eine unmittelbar schulbuchersetzende Funktion, weil bei diesem Gerät die Funktion der Übersetzung im Vordergrund stehe und es die Inhalte mehrerer Wörterbücher in den Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Latein und Deutsch enthalten würde. Das elektronische Wörterbuch verfüge nicht über die Möglichkeit, es mit einem PC zu verbinden oder das Internet zu nutzen. Darin unterscheide sich dieses Gerät von Tabletts oder Laptops, die selbst nicht als schulbuchersetzend angesehen werden könnten.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Sozialgericht die Berufung gegen seine Entscheidung zum Landessozialgericht ausdrücklich zugelassen.