Das Amtsgericht München hat am 09.06.2021 zum Aktenzeichen 453 C 3432/21 entschieden, dass die Pflege naher Angehöriger im gleichen Haus die Kündigung wegen Eigenbedarfs rechtfertigt.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 45/2021 vom 19.11.2021 ergibt sich:
Das Amtsgericht München verurteilte am 19.06.2021 das beklagte Ehepaar, ihre Drei-Zimmer-Mietwohnung von 77 qm in München-Ramersdorf zu räumen und an die auf Eigenbedarf klagende Vermieterin unter Gewährung einer Frist bis 31.12.2021 herauszugeben.
Die ursprünglichen Vermieter der aufgrund Mietvertrages zum 01.03.2013 für nun 759 Euro monatlich zuzüglich 60 Euro Heizkostenpauschale den Beklagten überlassenen Wohnung übertrugen diese im Sommer 2020 an ihre klagende Großnichte gegen eine monatliche Leibrente von 800 Euro. Die Klägerin verpflichtete sich zudem auf Wunsch der Übergeber, ein über 80jähriges Ehepaar, sie bei Einkäufen, Besorgungen, sowie bei Arztbesuchen zu unterstützen. Das Eigenbedarfskündigungsschreiben vom 15.10.2020 begründete die Klägerin damit, für ihre derzeit bewohnte 50 qm große Zwei-Zimmerwohnung, die etwa 2,7 km entfernt sei, 1.300 Euro Miete zahlen zu müssen. Großonkel und Großtante seien altersbedingt auf ihre Unterstützung angewiesen. Die Hilfe der Klägerin bei Angelegenheiten des täglichen Bedarfs sei Voraussetzung und Grund für die Übertragung des Eigentums an der Wohnung gewesen, die sich im selben Wohnhaus befände, wie die ihrer Verwandten. Sie arbeite nicht erst seit Corona im Homeoffice, könne einerseits deswegen im Notfall auch rasch Hilfe leisten und benötige andererseits dafür auch ein Arbeitszimmer. Sie wolle die Wohnung mit ihrem Lebensgefährten und ihren zwei Katzen beziehen.
Die Beklagten halte eine Hilfeleistung auch aus der derzeitigen Entfernung für möglich. Diese sei auch noch nicht erforderlich. Bei engen finanziellen Verhältnissen sei ihnen eine Wohnungssuche nicht zumutbar. Ein Umzug würde die gesundheitliche angeschlagene Situation der Ehefrau erheblich verschlechtern.
Vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen waren gescheitert. Die Beklagten hatten für die aufgrund Umzug umgekehrt erforderliche Unterbringung ihrer beiden Katzen in einer Katzenpension 10.220 Euro, für den Ausgleich zu erwartender höherer Miete im 5 Jahreszeitraum weitere 26.460 Euro gefordert, während die Klägerin lediglich 6.250 Euro angeboten hatte.
Der zuständige Richter am Amtsgericht München gab der Klägerin Recht.
„Der Entschluss des Vermieters die Wohnung selbst zu nutzen, ist grundsätzlich zu achten. Der Nutzungswunsch muss aber hinreichend bestimmt und konkret sein und ernsthaft verfolgt werden, er muss von vernünftigen oder nachvollziehbaren Gründen getragen werden und darf nicht rechtsmissbräuchlich sein (…). Angesichts des aus Sicht des Gerichts detaillierten und vollumfänglich nachvollziehbaren und glaubhaften Vortrags der Klägerin bestehen aus Sicht des Gerichts keine Zweifel an dem vorgetragenen Eigennutzungswunsch der Klägerin. Auf den konkreten aktuellen Gesundheitszustand des Großonkels und der Großtante der Klägerin kommt es hierbei gar nicht an. Bereits angesichts des Alters (…) ist eine zeitnahe Hilfsbedürftigkeit derart naheliegend, dass selbst eine aktuell blendender Gesundheitszustand in keiner Weise gegen den Nutzungswunsch der Klägerin sprechen würde.“
Auch der attestierte Bluthochdruck der gerade über 70igjährigen Beklagten mit Gefahr von Herzinfarkt und Schlaganfall begründe noch nicht die Annahme einer der Kündigung entstehenden besonderen Härte im Sinne des Gesetzes.
Auch sei zur behaupteten Unmöglichkeit, geeigneten Ersatzwohnraum zu finden nicht ausreichend vorgetragen worden: „Die vorgetragenen Bemühungen sich über Onlineportale, in denen gerichtsbekannt ein hohes Aufkommen an Mietinteressenten generiert wird, um die Anmietung einer Wohnung zu bemühen reicht jedenfalls zur Erfüllung der Obliegenheit der Beklagten, eine Ersatzwohnung zu zumutbaren Bedingungen zu finden nicht aus, zumal sich der substantiierte Vortrag allesamt auf Anfragen aus dem Jahr 2021 somit mehr als zweieinhalb Monate nach Erhalt der Kündigung bezieht. (…)
„Den Beklagten war nach Überzeugung des Gerichts aber vorliegend eine Räumungsfrist bis zum 31.12.2021 zu gewähren (…). Angesichts der glaubhaft geschilderten gesundheitlichen Einschränkungen und des ebenfalls fortgeschrittenen Alters der Beklagten bei gleichzeitig beengten finanziellen Verhältnissen sind diese auf dem Mietmarkt im Großraum München zweifellos unterprivilegiert.“
Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig.