Das Thüringer Oberlandesgericht hat mit Urteil vom 09.11.2021 zum Aktenzeichen 7 U 16/21 entschieden, dass die Klage einer Hotelgesellschaft auf Zahlung von Stornierungskosten nach Absage der Deutschen Grundschulschachmeisterschaften wegen der Covid-19-Pandemie ohne Erfolg bleibt.
Aus der Pressemitteilung des Thür. OLG Nr. 4/2021 vom 16.11.2021 ergibt sich:
Das Thüringer Oberlandesgericht hatte sich mit der Berufung einer Hotelgesellschaft gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 04.12.2020 (10 O 687/20) zu befassen. Der Beklagte, ein Verein zur Förderung des Schachsports, beabsichtigte, im Hotel der Klägerin im Mai 2020 für vier Tage die Deutschen Grundschulschachmeisterschaften durchzuführen. Dazu schloss er mit der Klägerin im Jahr 2019 einen Reservierungs- und einen Veranstaltungsvertrag. Der Reservierungsvertrag sah eine Regelung zu Stornierungskosten vor. Die Durchführung des Wettkampfs sollte u.a. in einem Raum mit der Größe von 730 qm stattfinden. Dabei wären bereits ohne Zuschauer bzw. Eltern ca. 500 Personen, davon mindestens 400 Kinder, anwesend gewesen. Die jüngsten Teilnehmer hätten ein Alter von sechs Jahren gehabt. Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 14.05.2020 mit, dass die Veranstaltung wegen der COVID 19-Pandemie nicht stattfinden werde.
Die Klägerin verlangte daraufhin von dem beklagten Verein einen Teil der Stornierungskosten in Höhe von 25.325,61 EUR und erhob Klage vor dem Landgericht Erfurt. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin zum Thüringer Oberlandesgericht hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Der 7. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts hat entschieden, dass der Beklagte von dem Vertrag wirksam zurückgetreten sei, weil die Klägerin ihre Räume zu dem vertraglich vereinbarten Zweck nicht zur Verfügung stellen durfte. Es habe ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit vorgelegen.
Die geplante Veranstaltung sei nach § 2 Abs. 5 der Thüringer Verordnung zur Freigabe bislang beschränkter Bereiche und zur Fortentwicklung der erforderlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 12. Mai 2020 (ThürSARS-CoV-2-Maßn-FortentwVO) verboten gewesen. Diese Regelung habe vorgesehen, dass öffentliche Veranstaltungen wie beispielsweise Volks-, Dorf-, Stadt-, Schützen- oder Weinfeste, Sportveranstaltungen mit Zuschauern, Festivals, Kirmes und ähnliche Veranstaltungen, die insbesondere nach ihrem Gesamtgepräge, ihrer Organisation, dem geplanten Ablauf, der Dauer, der Anzahl, der Struktur und der Zusammensetzung der zu erwartenden Teilnehmer oder den räumlichen Verhältnissen am Veranstaltungsort in besonderem Maße geeignet seien, die Ausbreitung der Pandemie zu fördern, bis zum Ablauf des 31. August 2020 verboten seien.
Der Senat ist in seinem Urteil davon ausgegangen, dass die geplanten Grundschulschachmeisterschaften eine solche Veranstaltung dargestellt hätte, denn es habe schon keine feste Teilnehmerliste bestanden. Der Wettkampf wäre auch in besonderem Maße geeignet gewesen, die Ausbreitung der Pandemie zu fördern. Hierzu habe man in den Blick nehmen müssen, dass die Planungen vorsahen, ca. 750 Personen in einem Saal zusammenzubringen, bei denen es sich in der Mehrzahl um Minderjährige ab einem Alter von sechs Jahren gehandelt hätte. Unabhängig von einem Hygienekonzept wäre dessen Umsetzung bereits aufgrund dieser Zusammensetzung der Teilnehmer und der ihnen altersbedingt immanenten Sorglosigkeit und mangelnden Disziplin sowie ihrer schieren Anzahl nicht zu gewährleisten gewesen. Auch die räumlichen Verhältnisse hätten eine Einhaltung von Abständen nicht ermöglicht. Das Zusammenführen einer derart großen Menschenmenge in geschlossenen Räumen über vier Tage hätte das Potenzial gehabt, ein „Superspreader“-Ereignis zu werden.
An der rechtlichen Unmöglichkeit habe auch der Umstand nichts geändert, dass die Verordnung vom 12. Mai 2020 mit Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 1. März 2021 – VerfGH 18/20 – für nichtig erklärt worden sei. Denn das rechtliche Hindernis entstehe bereits mit Eintritt der Störung, also dem Verbotserlass. Selbst wenn berücksichtigt werde, dass die Verordnung nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs von Anfang an nichtig gewesen sei, verbleibe es bei der rechtlichen Unmöglichkeit. Es sei den Parteien wegen der drohenden Bußgelder und der Fristgebundenheit der Veranstaltung nicht zuzumuten gewesen, an dem Vertrag festzuhalten. Auch sei es für die Parteien nicht zu erwarten gewesen, dass die Verbotsnorm in einem späteren verfassungsgerichtlichen Verfahren aufgehoben werden würde.
Durch den wirksamen Rücktritt des beklagten Vereins habe sich der Beherbergungs- und Veranstaltungsvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Ansprüche aus der Stornierungsvereinbarung können daher nicht mehr verlangt werden.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.