Rat nimmt Reform der Straßenbenutzungsgebühren (Eurovignette) an

10. November 2021 -

Der Rat der EU hat am 09.11.2021 grünes Licht für strengere und weiter reichende Vorschriften für Straßenbenutzungsgebühren (Eurovignetten-Richtlinie) gegeben, die Anreize für umweltfreundlichere und effizientere Verkehrsdienste setzen sollen.

Aus der Pressemitteilung des Rats der EU vom 09.11.2021 ergibt sich:

Das überarbeitete Gesetz umfasst ein neues System zur Verringerung der CO2-Emissionen, mit dem der CO2-Fußabdruck des Verkehrs im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal und dem Übereinkommen von Paris verringert werden soll.

„Diese neuen Vorschriften für Straßenbenutzungsgebühren und ein neues System zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung der Klimaziele der EU. Durch die verstärkte Nutzung besonders umweltfreundlicher und kraftstoffeffizienter Fahrzeuge wird der Verkehr nachhaltiger werden“, so Jernej Vrtovec, slowenischer Minister für Infrastruktur, Präsident des Rates

Kernpunkte der überarbeiteten Vorschriften

Entfernungsabhängige Mautgebühren und zeitabhängige Benutzungsgebühren (Vignetten)

Zeitabhängige Vignetten für schwere Nutzfahrzeuge im TEN-V-Kernnetz werden innerhalb von acht Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie stufenweise abgeschafft. Wenn Mitgliedstaaten ein gemeinsames Vignettensystem wie den Eurovignetten-Vertrag anwenden, haben sie zwei weitere Jahre Zeit, um dieses System anzupassen oder aufzuheben.

Die stufenweise Aufhebung betrifft die Straßen der Hauptverkehrsrouten, auf denen der größte Teil des internationalen Transitverkehrs von Nutzfahrzeugen stattfindet. In anderen Teilen ihres Netzes können die Mitgliedstaaten weiterhin Vignetten anwenden.

Ausnahmen von der stufenweisen Abschaffung der Vignetten sind in hinreichend begründeten Fällen zulässig, z. B. bei geringer Bevölkerungsdichte oder in Fällen, in denen eine Vignette für einen begrenzten Straßenabschnitt gilt; die Kommission muss jedoch zuvor hiervon unterrichtet worden sein.

Die Mitgliedstaaten werden auch die Möglichkeit haben, ein kombiniertes Gebührensystem für schwere Nutzfahrzeuge oder für bestimmte Arten schwerer Nutzfahrzeuge einzurichten, in dessen Rahmen sie sowohl entfernungsabhängige als auch zeitabhängige Elemente verwenden und die beiden Instrumente zur Gebührendifferenzierung (im neuen System nach CO2-Emissionen und im bestehenden System nach EURO-Klasse) zusammenführen können. Dieses System wird die vollständige Umsetzung des Nutzerprinzips und des Verursacherprinzips ermöglichen und gleichzeitig den Mitgliedstaaten die nötige Flexibilität bei der Gestaltung ihrer eigenen Mautsysteme einräumen.

Als Grundprinzip der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren bleibt es den Mitgliedstaaten jedoch freigestellt, Maut- und Benutzungsgebühren für verschiedene Fahrzeugtypen wie schwere Nutzfahrzeuge, schwere Lastfahrzeuge, Reisebusse und Busse, leichte Nutzfahrzeuge, Kleinbusse und Personenkraftwagen unabhängig voneinander anzuwenden. Beispielsweise können die Mitgliedstaaten beschließen, für Busse überhaupt keine Gebühren zu erheben.

In den Vorschriften für die Geltungsdauer von Vignetten ist vorgesehen, dass auch Vignetten für einen Tag sowie für eine Woche oder für zehn Tage oder beides angeboten werden müssen. Die Mitgliedstaaten können die Verwendung der Tagesvignette jedoch auf Transitzwecke beschränken.

Ökologisierung der Straßenbenutzungsgebühren

Es wird ein neues EU-weites Instrument für die Differenzierung der Infrastruktur- und Benutzungsgebühren für schwere Nutzfahrzeuge aufgrund der CO2-Emissionen eingeführt. Grundlage dieser Differenzierung sind die geltenden CO2-Normen.

Diese Regelung wird zunächst nur für die größten Lastkraftwagen gelten, kann aber schrittweise auf andere Arten schwerer Nutzfahrzeuge ausgedehnt und zudem regelmäßig an den technischen Fortschritt angepasst werden.

Im Text wurden Vorkehrungen getroffen, damit Hybridfahrzeuge nicht zweimal begünstigt werden und etwaige Überschneidungen der Differenzierung nach CO2-Emissionen mit anderen Instrumenten zur Bepreisung der CO2-Emissionen vermieden werden.

Für leichte Nutzfahrzeuge und Kleinbusse wird die Differenzierung der Maut- oder Benutzungsgebühren aufgrund der Umweltleistung, soweit dies technisch machbar ist, ab 2026 gelten.

Gebühr für externe Kosten

Die Erhebung von Gebühren für externe Kosten aufgrund der Luftverschmutzung wird für schwere Nutzfahrzeuge nach einem Übergangszeitraum von vier Jahren, in dem Mautgebühren erhoben werden, verbindlich vorgeschrieben. Die Mitgliedstaaten dürfen jedoch nach Unterrichtung der Kommission auf diese Gebühr verzichten, wenn dies zu einer Umleitung des Verkehrs mit unbeabsichtigten negativen Folgen führen würde. Die obligatorische Gebührenerhebung berührt in keinem Fall die Entscheidung der Mitgliedstaaten, eine Gebühr für CO2-emissionsbedingte externe Kosten zu erheben.

Fakultative Entgeltregelungen

Einnahmen aus fakultativen Staugebühren oder deren finanzieller Gegenwert sind von den Mitgliedstaaten zur Lösung des Stauproblems oder generell zur Entwicklung eines nachhaltigen Verkehrs und einer nachhaltigen Mobilität einzusetzen. Mit entsprechenden Sonderbestimmungen wurde klargestellt, in welchen Fällen diese Verpflichtung als erfüllt gilt, wenn diese Einnahmen in den Staatshaushalt fließen.

Die Vorschriften werden es den Mitgliedstaaten außerdem ermöglichen, auf die Infrastrukturgebühren, die auf bestimmten stark überlasteten Straßenabschnitten erhoben werden, einen höheren Aufschlag (bis zu 50 %) anzuwenden, sofern alle betroffenen Mitgliedstaaten zustimmen.

Ausnahmen

Die Richtlinie enthält eine Reihe von Ausnahmen von den Gebührenerhebungsvorschriften, beispielsweise im Fall bestehender Konzessionsverträge, für Menschen mit Behinderungen und bei dünn besiedelten Gebieten.

Verfahren und nächste Schritte

Mit dem heutigen Abstimmungsergebnis hat der Rat seinen Standpunkt in erster Lesung festgelegt. Der Rechtsakt muss nun vom Europäischen Parlament in zweiter Lesung angenommen werden, bevor er im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wird.

Im Vorfeld der heutigen Annahme durch den Rat erzielten die Verhandlungsführer des Rates und des Europäischen Parlaments am 15. Juni 2021 eine politische Einigung über den Vorschlag. Der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) hat diese Einigung am 30. Juni 2021 bestätigt.

Die Richtlinie wird 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten müssen die Vorschriften der Richtlinie innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umsetzen.

Hintergrund: EU-Vorschriften für Straßenbenutzungsgebühren

Über Straßenbenutzungsgebühren wird in der EU auf nationaler Ebene entschieden: Ob sie im Hoheitsgebiet eingeführt werden oder nicht, liegt in der Hand der Mitgliedstaaten. Wenn sie sich denn für die Erhebung von Gebühren entscheiden, müssen die Mitgliedstaaten jedoch bestimmte gemeinsame Vorschriften einhalten, die in der Eurovignetten-Richtlinie festgelegt sind. Damit soll sichergestellt werden, dass die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren weder zu einer Diskriminierung des internationalen Verkehrs noch zur Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen führt.

Die Kommission hat den Vorschlag für eine überarbeitete Verordnung im Mai 2017 als Teil ihres ersten Mobilitätspakets vorgelegt.