Der Bundesgerichtshof hat am 05.08.2021 zum Aktenzeichen 2 StR 307/20 entschieden, dass über die Verurteilung im Zusammenhang mit dem unerlaubten Umgang mit „Künstlichen Mineralfaser Abfällen“ neu verhandelt werden muss.
Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 206/2021 vom 09.11.2021 ergibt sich:
Das Landgericht Gießen hat den Angeklagten F. wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen und den Angeklagten Prof. Dr. G. wegen Beihilfe hierzu in jeweils 56 Fällen zu Gesamtgeldstrafen von 490 bzw. 350 Tagessätzen verurteilt.
Gegenstand des Verfahrens ist die Behandlung von anorganischen Synthesefasern (Glaswolle, Mineralwolle o.ä.), sog. „Künstlichen Mineralfaser Abfällen“ („KMF“). Es handelt sich dabei – ähnlich wie Asbest – um lungengängige Stoffe, die als gefährlicher Abfall zu hierfür vorgesehene Deponien verbracht werden mussten. Der Angeklagte F. war Geschäftsführer eines Abfallentsorgungsunternehmens. Er hatte die Geschäftsidee, „KMF“ durch Beimengung von Ton, Gelatine sowie Wasser zu binden und die so entstandene Masse als Produkt an Ziegeleien zur Weiterverarbeitung zu liefern. Mit Hilfe des Angeklagten Prof. Dr. G., Inhaber eines Lehrstuhls für Abfall- und Ressourcenmanagement, erwirkte er bei dem Regierungspräsidium Gießen einen Zulassungsbescheid, der es ihm gestattete, „KMF“ entsprechend seiner Geschäftsidee zu verarbeiten.
Nach den Feststellungen des Landgerichts lag der Genehmigung die Einhaltung eines bestimmten Mischungsverhältnisses zugrunde, was durch monatliche Berichte gegenüber dem Regierungspräsidium nachzuweisen war. Indes war die Maschinenanlage des Angeklagten F. im Tatzeitraum technisch nicht in der Lage, ein bestimmtes Mischungsverhältnis einzuhalten. Vielmehr wies der Angeklagte F. seine Mitarbeiter an, die zerkleinerten Abfälle mit den übrigen Stoffen nach grober Mengenabschätzung zu vermischen. Der Angeklagte Prof. Dr. G. bestätigte in mehreren Berichten die Einhaltung des Mischungsverhältnisses, obwohl er eine entsprechende Überprüfung tatsächlich nicht vornahm. Ob tatsächlich „KMF“ bei oder nach der Vermengung freigesetzt wurden, konnte das Landgericht nicht feststellen.
Die Revision des Angeklagten Prof. Dr. G. hat mit einer Verfahrensrüge, mit der er die vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung mit Blick auf eine von der Dienstleistung entbundene Schöffin rügt, Erfolg. Ihn betreffend hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des Landgerichts Gießen mit den Feststellungen aufgehoben.
Auch die Revision des Angeklagten F., der nur die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg. Zwar belegen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, dass sich der Angeklagte F. des unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen strafbar gemacht hat. Insbesondere musste das Landgericht hierzu nicht feststellen, dass es zu einer konkreten Gefahr (etwa durch Freisetzung von „KMF“) gekommen war. Jedoch hält die Bewertung der Strafkammer, es habe sich um 56 Einzelfälle in nicht verjährter Zeit gehandelt, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der 2. Strafsenat hat daher das Urteil des Landgerichts Gießen auch hinsichtlich des Angeklagten F. aufgehoben; die seiner Verurteilung zugrundeliegenden Feststellungen hat er im Wesentlichen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Gießen zurückverwiesen worden.