Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 13.04.2021 zum Aktenzeichen 19 Sa 76/20 entschieden, dass die Aufforderung eines Arbeitgebers, Bewerbungsunterlagen „unter Angabe der Konfession“, verbunden mit der Voraussetzung im Anforderungsprofil, für die zu besetzende Stelle „eine positive Identifikation mit den Zielen und Aufgaben der evangelischen Landeskirche in Baden“, begründet dies die Vermutung, dass der/die erfolglose und konfessionslose Bewerber oder Bewerberin im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines Grundes i.S.d § 1 AGG unmittelbar benachteiligt wurde.
Eine unterschiedliche Behandlung bei der Einstellung kann nach § 9 Abs. 1 AGG gerechtfertigt sein, wenn bei der Besetzung der Stelle eine Differenzierung zulässig wäre.
Dies muss folglich auch für die Ausschreibung und das vorgelagerte Besetzungsverfahren gelten.
Bewirbt sich ein Bewerber, mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen, kann der Arbeitgeber den Einwand des Rechtsmissbrauchs geltend machen.
Zwischen den Parteien ist der Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG nach Grund und Höhe in Streit.
Die beklagte Landeskirche schrieb im Januar 2019 für den evangelischen Oberkirchenrat eine Sekretariatsstelle aus.
Neben Aufgaben und fachlichen Anforderungen hieß es in der Stellenausschreibung u.a., dass eine positive Identifikation mit den Zielen und Aufgaben der evangelischen Landeskirche gewünscht sei.
Bewerber:innen sollten in ihrer Bewerbung außerdem ihre Konfession angeben.
Die Klägerin – ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte/Rechtsfachwirtin und Büroleiterin einer Rechtsanwaltskanzlei – bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle mit dem Hinweis, sie sei konfessionslos (Atheistin).
Die Klägerin wurde zum Auswahlverfahren eingeladen.
Am 18.03.2019 teilte die Beklagte auf Nachfrage der Klägerin mit, sie habe bei der Besetzung der Stelle nicht berücksichtigt werden können.
Am 17.04.2019 machte die Klägerin einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern geltend.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Aufforderung in der Stellenanzeige, die Bewerbungsunterlagen unter Angabe der Konfession einzureichen, rechtfertige die Annahme, dass sie die Stelle nicht bekommen habe, da sie konfessionslos sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 1,5 Bruttomonatsgehältern zugesprochen.
Die Berufung beider Parteien haben keinen Erfolg.
Der Klägerin steht ein Entschädigungsanspruch nach dem AGG zu.
Durch die Stellenausschreibung liegen Indizien i.S.d. § 22 AGG vor, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen.
Zwar wird in der Stellenanzeige nicht ausdrücklich erklärt, dass die Konfessionszugehörigkeit in der christlichen Kirche zur Einstellungsvoraussetzung gehört.
Die Beklagte hat aber die Bewerbenden aufgefordert, ihre Unterlagen „unter Angabe der Konfession“ einzureichen.
Nach dem objektiven Inhalt und dem typischen Bedeutungsgehalt ist die Stellenausschreibung der Beklagten von einem redlichen Bewerber dahin zu verstehen, dass es der Beklagten bei ihrer Auswahlentscheidung auch auf das Vorhandensein einer Konfession ankommt und die positive Identifikation im Sinne eines Bekenntnisses zu den Zielen und Aufgaben der Evangelischen Landeskirche in Baden vorzugswürdig ist.
Eine unterschiedliche Behandlung der Klägerin in Bezug auf die Konfessionszugehörigkeit ist nicht nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG gerechtfertigt, weil eine solche Anforderung im Hinblick auf das Ethos der Beklagten aufgrund der Art der fraglichen Tätigkeit oder der Umstände igrer Ausübung wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist.
Die Beklagte hat den nach § 22 AGG erforderlichen Gegenbeweis, dass die Benachteiligung der Klägerin nicht durch einen in § 1 AGG genannten Grund motiviert ist, nicht geführt.
Ihr ist es nicht gelungen darzulegen und zu beweisen, dass der in § 1 AGG genannte Grund für die Ungleichbehandlung „überhaupt keine Rolle“ gespielt hat.
Die Beklagte kann das Indiz insbesondere nicht damit widerlegen, dass sie die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat und das vollständige Bewerbungsverfahren wie vorgesehen mit der Klägerin durchgeführt hat.
Denn zur Widerlegung reicht gerade nicht aus, dass zusätzlich auch nichtdiskriminierende Gründe die Benachteiligung veranlasst haben („Motivbündel“).
Die Einladung zu dem Vorstellungsgespräch besagt lediglich, dass die Bewerbung der Klägerin nicht bereits von vornherein wegen der angegebenen Konfessionslosigkeit als aussichtslos verworfen wurde.
Das aus Sicht der Beklagten nicht zufriedenstellend verlaufene Bewerbungsgespräch führt letztlich nur dazu, dass die Kappungsgrenze des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zur Anwendung kommt, weil die Klägerin nicht als bestqualifizierte Bewerberin anzusehen ist, was sie selbst nicht behauptet.
Auch der Einwand der Beklagte, sie habe letztlich eine im Zeitpunkt der Einstellung konfessionslose Bewerberin eingestellt, überzeigte nicht.
Zwar wird vertreten, die Vermutung könne dadurch widerlegt werden, dass ein Bewerber eingestellt wird, der der durch die Formulierung eigentlich ausgeschlossenen gruppe angehört.
Das erscheint allerdings zweifelhaft, weil damit lediglich widerlegt wird, das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines bestimmten Merkmals sei ausschlaggebend im Sinne einer Conditio sine qua non für die Einstellung.
Darauf kommt es indessen nicht an, weil es für eine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG nicht erforderlich ist, dass der betreffende Grund i.S.v. § 1 AGG das ausschließliche (oder auch ein wesentliches) Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; vielmehr ist der erforderliche Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund i.S.v. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt.