Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 20.07.2021 zum Aktenzeichen 2 Sa 326/20 entschieden, dass die Entscheidung der Frage, ob eine familiäre Mitarbeit im elterlichen Betrieb oder ein Arbeitsverhältnis vorliegt, anhand einer wertenden Betrachtung vorzunehmen ist.
Die Erbringung von Diensten, die den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, sprechend für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.
Hierzu zählt die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung im elterlichen Betrieb.
Eine familiäre Mithilfe i.S.d. § 1619 BGB ist lediglich bei dem Schulden familienrechtlicher Dienste anzunehmen, was zu verneinen ist, wenn das Kind nicht mehr dem elterlichen Haushalt angehört.
Die Parteien streiten über Differenzvergütung auf Mindestlohn. Der Kläger, Sohn der Beklagten, war bis 2012 in einem landwirtschaftlichen Unternehmen tätig.
Im Juli 2012 wechselte er wegen gesundheitlicher Probleme seines Vaters in den von seinen Eltern geführten landwirtschaftlichen Betrieb und gab seine Beschäftigung in dem anderen Unternehmen auf.
Der Kläger hat Arbeitsanweisungen von seinem Vater erhalten und sich um Vieh und Felder gekümmert.
Lohnarbeiter wurden ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von den Eltern beschäftigt.
Im Jahr 2016 hat der Kläger von den Eltern monatliche Überweisungen in Höhe von 500,00 € erhalten.
Nach dem Tod seines Vaters im Juni 2019 war der Kläger weiter im von der Beklagten geführten Betrieb als Landwirt in der Tier- und Pflanzenproduktion wie bisher beschäftigt.
Ab dem 03.06.2019 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag mit einer monatlichen Vergütung von 1.500,00 €.
Durch Schreiben der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse vom 12.06.2020 hat der Kläger erfahren, dass die bisherige Versicherung wegen Aufgabe der hauptberuflichen Tätigkeit zum 30.06.2020 beendet worden sei.
Neben dem Bestandsschutzverfahren hat der Kläger in dem hier entschiedenen Verfahren unter Zugrundelegung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden sowie des im Tarifvertrag zur Regelung der Mindestentgelte für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft Mindestlohn und Gehaltsdifferenzen seit 2016 geltend gemacht.
Die Beklagte bestreitet ein Arbeitsverhältnis.
Soweit dem Kläger Zahlungsansprüche zustünden, müsse er diverse Zahlungen in Anrechnung bringen.
Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand und dem Kläger für die erbrachten Leistungen Mindestlohnansprüche zustehen.
Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Der Kläger hat nämlich Zahlungsansprüche gegen die Beklagte aus einem Arbeitsverhältnis.
Zwischen den Parteien bestand im Jahr 2016 ein bereits im Juli 2012 begründetes Arbeitsverhältnis.
Der Kläger hat ab Juli 2012 bis ins Jahr 2020, also über 8 Jahre, auf der Grundlage arbeitsrechtlicher Beziehungen abhängige Arbeitsleistungen für den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb erbracht.
Umfang und Dauer seiner Tätigkeit gingen weit über den Rahmen einer familiären Mitarbeit (§ 1619 BGB) hinaus.
Allerdings ist nicht jede Mitarbeit eines Kindes im Betrieb der Eltern vergütungspflichtig.
Entscheidend ist, ob die Mitarbeit auf arbeitsvertraglicher (§ 611 BGB) oder familienrechtlicher (§ 1619 BGB) Grundlage erbracht wird.
Es hat eine wertende Betrachtung der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.
Hier war der Kläger in den elterlichen Betrieb eingegliedert, hat zu Lebzeiten seines Vaters sämtliche Hofarbeiten zusammen mit diesem erbracht.
Dabei war er weisungsabhängig.
Es war dem Kläger nicht mehr möglich, einer anderweitigen beruflichen Tätigkeit nachzugehen; die Arbeit auf dem Hof bildete seine einzige Erwerbsquelle.
Er stand folglich in einem abhängigen Verhältnis.
Er hat die Dienste für die Eltern erbracht, die diese ansonsten von fremden Mitarbeitern hätten in Anspruch nehmen müssen bzw. in Anspruch genommen haben.
Die Höhe der klägerischen Zahlungsansprüche bestimmt sich nach dem TV Mindestentgelt für die Land- und Forstwirtschaft.
Der Kläger ist bei seinen Berechnungen zu Recht von einer 40-Stunden-Woche ausgegangen.
Dies entspricht dem Normalmaß einer Vollzeittätigkeit.
Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisung zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen.
Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern.
Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist.
Trägt er nicht vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden.
Auch ist zu berücksichtigen, dass eine familiäre Mithilfe im Sinne des § 1619 BGB nur angenommen werden kann, wenn familienrechtliche Dienste geschuldet sind.
Daran fehlt es, wenn das Kind seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr im Haus der Eltern hat.
Voraussetzung ist, dass das Kind „dem elterlichen Haushalt angehört“.
Diese Voraussetzung ist für den Kläger schon seit Aufnahme seiner Tätigkeit auf dem elterlichen Hof im Jahre 2012 nicht mehr gegeben.
Er hat während der gesamten Zeit auf dem elterlichen Hof einen eigenen Hausstand geführt.