Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat am 26.10.2021 zum Aktenzeichen 8 A 1852/20.A entschieden, dass gesunden und arbeitsfähigen anerkannt Schutzberechtigten in Bulgarien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) droht.
Aus der Pressemitteilung des Hess. VGH Nr. 24/2021 vom 26.10.2021 ergibt sich:
Dem Kläger, einem 1978 geborenen syrischen Staatsangehörigen, wurde bereits im April 2014 in Bulgarien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Anschließend reiste er nach Deutschland weiter und stellte hier erneut einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschied hierzu ohne inhaltliche Prüfung des Asylantrags, dass dem Kläger aufgrund seines in Bulgarien bereits erlangten Schutzstatus kein Asylrecht in Deutschland mehr zustehe. Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage mit dem Ziel, ein Verfahren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Bundesgebiet durchführen zu können, wies das Verwaltungsgericht Wiesbaden ab.
Soweit das Berufungsverfahren noch anhängig war, hat der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger drohe in Bulgarien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC in Form von Obdachlosigkeit oder Verelendung.
Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs werde die besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit nicht erreicht. Diese setze voraus, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtige oder sie in einen Zustand der Verelendung versetze, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre.
Der Senat hat sich mit der heutigen Entscheidung im Ergebnis der Rechtsprechung unter anderem der Oberverwaltungsgerichte der Freien Hansestadt Bremen und des Landes Schleswig-Holstein angeschlossen.
Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger die Möglichkeit der Beschwerde, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu entscheiden hätte.