Das Landgericht München I hat am 20.10.2021 zum Aktenzeichen 5 HK O 1687/19 entschieden, dass einzelne Aktionäre wegen einer Wertminderung ihrer Aktien durch ein die Gesellschaft schädigendes Ereignis keinen Schadensersatz verlangen können, da dies unter anderem gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre verstößt.
Aus der Pressemitteilung des LG München I Nr. 28/2021 vom 21.10.2021 ergibt sich:
Mit seiner Klage wollte der Kläger die Feststellung erreichen, dass der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die diesem aus vom Beklagten veranlassten Meldungen über den Inhalt eines Aktienkaufvertrages trotz Vertraulichkeits- und Verschwiegenheitsverpflichtung sowie aus mehreren Äußerungen des Beklagten in Zeitschriften sowie in einer TV-Sendung entstanden seien. Diese, so argumentierte der Kläger, hätten den Wert der vom Kläger gehaltenen Aktien an der Aktiengesellschaft gemindert. Ferner begehrte der Kläger die Unterlassung vom Beklagten, gegenüber Organmitgliedern der Aktiengesellschaft und gegenüber Dritten zu behaupten, der Kläger schulde ihm Geld und könne nicht zahlen.
Das LG München I hat beide Ansprüche des Klägers verneint und die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung der 5. Kammer für Handelssachen des LG München I können einzelne Aktionäre wegen einer Wertminderung ihrer Aktien durch ein die Gesellschaft schädigendes Ereignis nicht die Zahlung von Schadensersatz an sich selbst verlangen. Dies verstoße unter anderem gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre. Ein Ausgleich des mittelbaren Schadens könne nur dadurch erfolgen, dass der Aktionär die Leistung an die Gesellschaft verlange. Dem Aktionär selbst entstehe kein Schaden im Rechtssinne. Der Grundsatz der Kapitalerhaltung, die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens sowie das Gebot der Gleichbehandlung aller Aktionäre schließe einen Anspruch des Gesellschafters auf Leistung von Schadensersatz an sich persönlich in diesem Fall aus.
Der vom Kläger geltend gemachte Schaden in Form der Wertminderung seiner Beteiligung an der Aktiengesellschaft stelle sich als ein sich typischerweise mittelbar beim Gesellschafter realisierender Reflexschaden dar. Dafür, dass allein die Aktiengesellschaft geschädigt sei, spreche ebenfalls die Wertung aus weiteren Vorschriften des Aktiengesetztes. Diese mache deutlich, dass dem Aktiengesetz die Anerkennung eines auf der Schädigung der Gesellschaft gründenden eigenen Anspruchs des einzelnen Mitgliedes fremd sei.
Bzgl. des Unterlassungsanspruchs vertrat die Kammer die Ansicht, dass dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung zustehe. Ein vertraglicher Anspruch sei nicht gegeben. Auch könne der Kläger im Übrigen keine Unterlassung verlangen.
In der Äußerung, der Kläger „schulde dem Beklagten Geld“, liege zum einen keine Verletzung einer Verschwiegenheitspflicht aus dem Kaufvertrag über Aktien, weil diese Äußerung der Aktiengesellschaft, eine vom Beklagten zu unterscheidende Person, als solche nicht abträglich und daher von der vertraglich vereinbarten Verschwiegenheitspflicht nicht umfasst sei. Auch sei die angegriffene Äußerung eine von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung. Diese habe hier Vorrang vor dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers. Dies gelte jedenfalls solange, wie ein weiterer, hier nicht zu entscheidender Rechtsstreit zwischen dem Beklagten und dem Kläger über Zahlungsansprüche des hiesigen Beklagten noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
Zudem stellte das Gericht fest, dass die Äußerung, „der Kläger könne nicht zahlen“, weder in Interviews noch in einer TV-Sendung durch den Beklagten getätigt worden sei. Sollte diese Äußerung im privaten Freundeskreis gefallen sein, sei dies zulässig, selbst wenn eine solche Äußerung in der Öffentlichkeit unzulässig wäre. Dies gelte auch für eine entsprechende Bemerkung gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied der Aktiengesellschaft, weil dieses nach dem Aktienrecht zur Verschwiegenheit verpflichtet sei.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.