Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat am 19.10.2021 zum Aktenzeichen 4 KN 292/16, 4 KN 174/17, 4 KN 190/17 einzelne Regelungen der Naturschutzgebietsverordnung „Totes Moor“ der Region Hannover für unwirksam erklärt und damit den Anträgen der Antragsteller teilweise stattgegeben.
Aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 56/2021 vom 20.10.2021 ergibt sich:
Die von der Region Hannover erlassene Naturschutzgebietsverordnung „Totes Moor“ (NSG-HA 154) bezieht sich auf ein 3.179 ha großes Gebiet, das Landflächen östlich und nordöstlich des Steinhuder Meeres sowie den Uferbereich und Wasserflächen im ost-nordöstlichen Bereich des Steinhuder Meeres (ca. 10% der gesamten Wasserfläche des Steinhuder Meeres) umfasst. Ca. die Hälfte des von der Verordnung unter Schutz gestellten Gebiets ist zugleich ein Europäisches Schutzgebiet nach der sog. Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union.
Die Antragsteller in dem Verfahren 4 KN 292/16 bieten von Startplätzen in der Nähe des Steinhuder Meeres gegen Entgelt Ballonfahrten an. Sie hatten ein Verbot der Verordnung angegriffen, das unter anderem Flugbeschränkungen für bemannte Luftfahrzeuge regelt. In den anderen beiden Verfahre hatten sich ein seit 1906 am Steinhuder Meer aktiver Segelverein (4 KN 190/17) und ein Mitglied dieses Vereins (4 KN 174/17), der auch Eigentümer von Flächen im Naturschutzgebiet ist, gegen die gesamte Verordnung gewandt. Ihnen ging es unter anderem um das Verbot, die Wasserfläche im Verordnungsgebiet zu befahren.
Der 4. Senat des OVG Lüneburg hat den Anträgen teilweise stattgegeben.
Dabei hat er das in der Verordnung geregelte Verbot, im Naturschutzgebiet unbemannte Luftfahrzeuge zu betreiben sowie mit bemannten Luftfahrzeugen zu starten, eine Mindestflughöhe von 600 m zu unterschreiten oder zu landen, als rechtmäßig angesehen, soweit es für den Teil des Naturschutzgebiets gilt, der zugleich ein Europäisches Vogelschutzgebiet ist. Das Verbot sei insoweit erforderlich zum Schutz von ganzjährig im Gebiet anzutreffenden störempfindlichen Wasser- und Zugvogelarten, deren Schutz in dem Europäischen Vogelschutzgebiet gerade bezweckt sei.
Für den Teil des Naturschutzgebiets, der nicht zugleich Europäisches Vogelschutzgebiet ist, hat der Senat das Flugverbot als unwirksam angesehen, soweit es für den Luftraum oberhalb einer Flughöhe von 150 m über dem Boden oder Wasser gilt. Der Region Hannover als Naturschutzbehörde fehle außerhalb des Anwendungsbereichs des Europäischen Vogel- und Habitatschutzrechts die Befugnis, ein so weitreichendes Verbot zur Nutzung des Luftraums zu regeln. Dies dürfe nur das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, das auf der Grundlage des Luftverkehrsrechts über einem Naturschutzgebiet ein Flugbeschränkungsgebiet festsetzen könne.
Der Senat hat schließlich das Flugverbot ferner als unwirksam angesehen, soweit es auch auf eine Zone von 500 m Breite außerhalb des Naturschutzgebiets ausgeweitet worden war. Insoweit habe es an der durch das Niedersächsische Landesnaturschutzrecht zwingend vorgeschriebenen zeichnerischen Darstellung der Verbotszone in den zur Naturschutzgebietsverordnung gehörenden Karten gefehlt.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass bei einem Überflug des Gebiets auf ca. der Hälfte der Fläche eine Mindestflughöhe von 150 m und in den anderen Bereichen eine Mindestflughöhe von 600 m gilt.
Abgesehen von einer einzelnen Verfahrensvorschrift hat der Senat die Naturschutzgebietsverordnung im Übrigen als mit höherrangigem Recht vereinbar angesehen. Das gilt auch, soweit die Region Hannover einen Teil der Wasserfläche des Steinhuder Meeres in das Naturschutzgebiet einbezogen und dadurch bewirkt hat, dass dieser Teil des Sees nicht mehr für den Wassersport genutzt werden darf. Die Ausweitung der unter Naturschutz gestellten Wasserfläche sei erforderlich gewesen zum Schutz von störempfindlichen Wasservögeln, die sich ganzjährig am Ostufer des Steinhuder Meeres und den vorgelagerten Flachwasserbereichen und Sandbänken aufhalten.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat zugelassen, soweit sich seine Urteile auf die Geltung des Flugverbots innerhalb des Naturschutzgebiets beziehen, und im Übrigen nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde eingelegt werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.