Das Finanzgericht Münster hat am 22.07.2021 zum Aktenzeichen 10 K 1707/20 E,G entschieden, dass gegen den Abzinsungssatz von 5,5% für unverzinsliche Darlehensverbindlichkeiten keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Aus dem Newsletter des FG Münster vom 15.10.2021 ergibt sich:
Der Kläger betreibt einen Autohandel. In seiner auf den Schluss des Streitjahres 2016 erstellten Bilanz wies er zwei Darlehensverbindlichkeiten, die bereits seit ca. 20 Jahren bestanden, zum Nennwert aus. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte das Finanzamt zu der Erkenntnis, dass es sich hierbei um unverzinsliche Darlehen mit unbestimmter Laufzeit handele, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Rechnungszinsfuß von 5,5 % abzuzinsen und entsprechend niedriger zu bewerten seien. Den Differenzbetrag erfasste es gewinnerhöhend.
Hiergegen wandte der Kläger ein, dass der Zinssatz von 5,5 % wegen der seit mehreren Jahren andauernden Nullzinsphase verfassungswidrig sei.
Der 10. Senat des FG Münster hat die Klage abgewiesen.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers im Hinblick auf den Zinssatz hat das Gericht nicht geteilt. Das Gebot der Abzinsung von Verbindlichkeiten beruhe auf der sachgerechten typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belaste als eine sofortige Leistungspflicht. Dieser Minderaufwand werde kapitalisiert und als Ertrag vorweggenommen, während gegenläufig aufgrund der sich stetig verkürzenden Restlaufzeit ein Aufzinsungsaufwand entstehe, bis der Rückzahlungszeitpunkt erreicht sei. Die Abzinsung bewirke daher im Ergebnis lediglich eine temporäre Gewinnverschiebung. Eine solche temporäre Gewinnverschiebung sei verfassungsrechtlich am Maßstab der Willkürkontrolle zu beurteilen.
Für das Streitjahr 2016 sei der Rechnungszinssatz von 5,5 % nicht verfassungsrechtlich willkürlich gewählt worden. In diesem Jahr habe der Fremdkapitalmarktzinssatz in unterschiedlichen Konstellationen noch 2,45 % bis 3,71 % betragen. Darüber hinaus seien im Einzelfall vorliegende weitere Faktoren wie Bonität des Schuldners und fehlende Besicherung des Darlehens einzubeziehen.
Die bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zinssatzhöhe nach § 238 AO seien nicht auf den Abzinsungssatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG übertragbar, weil dieser nicht den Nutzungsvorteil für die Überlassung von Kapital abschöpfen solle, sondern eine interne Rechengröße für die Bewertung einer unverzinslichen Verbindlichkeit darstelle. Schließlich ließe sich die Abzinsung durch entsprechende Gestaltungen vermeiden, etwa durch „Kettendarlehen“, die für weniger als zwölf Monate gewährt und immer wieder verlängert werden oder durch Vereinbarung eines Zinssatzes knapp über 0 %.
Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.