Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 06.09.2021 zum Aktenzeichen 1 Sa 299/20 entschieden, dass wenn das Führen eines KFZ zwar nicht die alleinige, jedoch eine wesentliche Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag ist, die alkoholbedingte Entziehung der Fahrerlaubnis einen an sich geeigneten Grund für eine außerordentliche bzw. ordentliche Kündigung darstellt.
Bietet der Arbeitnehmer vor Zugang der Kündigung an, die Zeit bis zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis durch Beschäftigung eines Fahrers auf eigene Kosten und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu überbrücken und ist dem Arbeitgeber dies zumutbar, kommt eine solche Möglichkeit als milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung in Betracht.
Die Parteien streiten über eine außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1999 als Key-Account-Manager beschäftigt und im Homeoffice tätig.
Die Aufgabe des Klägers besteht im Wesentlichen darin, die Kunden vor Ort zu besuchen und zu beraten, welches der Produkte der Beklagten für den Bedarf der Kundengeeignet ist.
Für die Stelle des „Key-Account-Managers“ gibt es ein Stellen- und Anforderungsprofil, danach muss der Stelleninhaber u.a. über eine hohe Reisebereitschaft und einen gültigen Führerschein verfügen.
Der Kläger verursachte am 13.10.2019 mit seinem Dienstwagen einen Verkehrsunfall.
Er fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit unter Alkoholeinfluss und kam von der Fahrbahn ab.
Die Polizei nahm den Unfall auf, beschlagnahmte den Führerschein des Klägers und nahm eine Blutprobe.
Der Kläger telefonierte am 18.10.2019 mit seinem Vorgesetzten und schlug vor, für die Zeit des Führerscheinentzugs auf eigene Kosten einen Fahrer anzustellen, der ihn zu Kunden bringen solle.
Das AG Ludwigshafen erließ am 27.12.2019 einen Strafbefehl gegen den Kläger, entzog ihm die Fahrerlaubnis und verhängte eine Sperrfrist von 12Monaten.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21.10.2019 außerordentlich fristlos, hilfsweise zum nächst zulässigen Zeitpunkt.
Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Diese hatte erstinstanzlich Erfolg.
Auch die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die außerordentliche Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.
Ein wichtiger Grund im Sinne des §626 Abs. 1 BGB besteht nicht.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis stellt zwar einen Umstand dar, der an sich geeignet sein kann, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung aus personenbedingten Gründen abzugeben.
Dies gilt auch, wenn das Führen eines Kraftfahrzeuges zwar nicht die alleinige, jedoch eine wesentliche Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag darstellt, weil die Haupttätigkeit ohne Firmenfahrzeug nicht ausgeübt werden kann.
Da der Kläger nicht Berufskraftfahrer ist, sondern seine geschuldete Haupttätigkeit in der Betreuung von Kunden besteht, kommt es somit darauf an, ob er diese Haupttätigkeit ohne Firmenfahrzeug ausüben kann.
Die Darlegungslast obliegt insoweit nach allgemeinen Grundsätzen der Beklagten.
Selbst wenn aber zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird, die geschuldete Haupttätigkeit könne ohne Nutzung eines Kfz nicht ausgeübt werden und das Führen eines Kfz sei Teil der geschuldeten Arbeitsleistung, führt dies im Ergebnis zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass eine (vorübergehende)Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen nicht möglich oder nicht zumutbar wäre.
Vorliegend hat der Kläger bereits vor Zugang der Kündigung den Vorschlag unterbreitet, für die Zeit des Führerscheinentzugs auf eigene Kosten einen Fahrereinzustellen, um auswärtige Termine wahrzunehmen.
Eine solche Möglichkeit kommt als milderes Mittel gegenüber einer ansonsten auszusprechenden Beendigungskündigung in Betracht und ist vorliegend weder aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen noch der Beklagten unzumutbar. § 613 BGB steht dem Einsatz eines vom Kläger beschäftigten Fahrers nicht entgegen.
Selbst wenn die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Heranziehung Dritter für Fahrtätigkeiten entgegenstehen sollten, wäre die Beklagte ggfs. in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gehalten gewesen, einer entsprechenden Vertragsänderung für die Dauer des Entzugs der Fahrerlaubnis zuzustimmen.
Auch bei einer Gefährdung von Betriebsmitteln (hier der Dienstwagen) kann eine Kündigung begründet sein. Im vorliegenden Fall war eine Abmahnung aber nicht entbehrlich.
Das LAG Rheinland-Pfalz hat festgestellt, dass es wenig wahrscheinlich ist, dass der Kläger künftig wiederholt mit Alkohol auffällt.
Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Führerschein bereits zurückerhalten und eine Therapie absolviert.
Eine toxikologische Untersuchung hat außerdem seine Abstinenz belegt.