Der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Deutsche Richterbund (DRB) kritisieren das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts vom 07.10.2021, das entschieden hat, dass bestimmte Aspekte des EU-Rechts gegen die polnische Verfassung verstoßen.
Aus der Pressemitteilungen des DAV und des DRB Nr. Nr. 7/2021 vom 08.10.2021 ergibt sich:
Das Urteil betrifft die Artikel 1 und 19 des EU-Vertrags, die die Basis für das Mitspracherecht der EU in Sachen Rechtsstaatlichkeit bilden. Das Gericht gibt dem nationalen Recht damit den Vorrang vor EU-Recht. Das Urteil ist die nächste Stufe im Konflikt zwischen der EU-Kommission und Polen um die polnische Justizreform.
Der DAV verfolgt die Entwicklung mit zunehmender Sorge. Dazu das Statement von Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Anwaltvereins (DAV): „Die Pflicht, wirksamen und unabhängigen Rechtsschutz zu schaffen, ist eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Polen hat den Rechtsstaat durch seine Justizreformen immer weiter ausgehöhlt. Diesem Prinzip nun aber auf europäischer Ebene formell eine Absage zu erteilen, hat eine neue Qualität. Das polnische Verfassungsgericht war bereits in der ersten Stufe der polnischen sogenannten Justizreform seiner Unabhängigkeit beraubt worden. Daher war – leider – zu erwarten, dass das Gericht nun den Vorrang des Unionsrechts in Abrede stellen würde. Wer das gemeinsame Wertefundament der EU aber derart in Abrede stellt, muss mit Konsequenzen rechnen. Die EU hat mit dem Rechtsstaatlichkeitsmechanismus eine Sanktionierungsmöglichkeit an der Hand, die sie nun nutzen muss.“
Auch aus Sicht des Deutschen Richterbundes (DRB) gefährt die Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts die Grundlagen der Europäischen Union.
„Diese Entscheidung legt die Axt an die Säulen, auf denen die Europäische Union ruht“, sagten die DRB-Vorsitzenden Barbara Stockinger und Joachim Lüblinghoff am 08.10.2021 in Berlin. „Polen wurde 2003 freiwillig Mitglied der Europäischen Union. Grundlage der EU ist das Prinzip der Gewaltenteilung, das unabhängige Gerichte voraussetzt. Nichts weniger als das stellt Polen in Frage. Denn unabhängig von der Regierung ist das polnische Verfassungsgericht gerade nicht“, sagte Stockinger. „Die polnische Richtervereinigung IUSTITIA wurde nicht ohne Grund für den Friedensnobelpreis nominiert. Sie kämpft seit Jahren für den Grundsatz der Gewaltenteilung. Wir alle sind aufgerufen, fest an der Seite der polnischen Kolleginnen und Kollegen zu stehen“, sagte Lüblinghoff.
Der DRB forderte die Organe der Europäischen Union und die Bundesrepublik Deutschland auf, beim Rechtsstaatsprinzip kompromisslos zu sein. Wer das nicht sei, verspiele die Zukunft der Europäischen Union als Raum für Frieden, Freiheit und Sicherheit.