Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat am 16.07.2021 zum Aktenzeichen 11 O 4279/20 entschieden, in welchem Zusammenhang mit der unrichtigen bzw. unvollständigen Beantwortung von Gesundheitsfragen bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung bestandet werden können.
Aus der Pressemitteilung des OLG Nürnberg Nr. 34/2021 vom 28.09.2021 ergibt sich:
Die damals 17-jährige Klägerin sowie deren Mutter unterzeichneten im Herbst 2012 nach Vermittlung durch eine Finanzberaterin gegenüber der beklagten Versicherungsgesellschaft einen Antrag auf Abschluss einer selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung. Ausgehend von einem Nettotarifbeitrag von 32,09 Euro sollte die Klägerin im Fall einer Berufsunfähigkeit u. a. eine Jahresrente in Höhe von 12.000 Euro erhalten. In dem Versicherungsantrag waren verschiedene Fragen unter der Überschrift „Angaben zum Gesundheitszustand“ gestellt worden, welche alle mit „nein“ angekreuzt worden waren. Unter anderem wurden Fragen zu Krankheiten, Beschwerden oder Funktionsstörungen bei inneren Organen, im Bereich des Nervensystems, der Gelenke sowie der Wirbelsäule, der Augen und der Psyche gestellt. Auch wurde nach Behandlungen in den letzten fünf Jahren vor Abschluss des Versicherungsvertrages sowie Krankenhausaufenthalten gefragt. In dem Versicherungsantrag war die Belehrung enthalten, dass auch solche Umstände anzugeben seien, denen der Versicherungsnehmer nur geringe Bedeutung beimesse. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht die Versicherung den Vertrag beenden könne.
Die Klägerin erlitt im Januar 2019 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen und machte in Folge dessen Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geltend. Die Beklagte erklärte in der Folgezeit gegenüber der Klägerin den Rücktritt vom Versicherungsvertrag, weil diese unzutreffende Angaben zu ihrem Gesundheitszustand gemacht habe.
Die Klägerin erhob daraufhin im Jahr 2020 Klage und verlangte u. a. die Zahlung von 27.000,00 € als Berufungsunfähigkeitsrente für die Vergangenheit sowie die Feststellung, dass sie auch künftig einen Anspruch auf eine monatliche Rente habe.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Klage abgewiesen.
Der Einzelrichter zeigte sich davon überzeugt, dass die Beklagte wirksam von dem Versicherungsvertrag zurückgetreten sei, da die Klägerin „arglistig“ ihre vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt habe. Ein Versicherungsnehmer müsse vor Abschluss des Versicherungsvertrages sowohl die Tatsachen angeben, welche für den Vertragsschluss als solchen aber auch für den Umfang der vertraglichen Leistungen bedeutsam seien. Entscheidend sei, dass der Versicherer bei Kenntnis der Umstände Veranlassung gehabt hätte, den Vertrag entweder nicht oder anders abzuschließen.
Das Gericht war davon überzeugt, dass die Klägerin die Gesundheitsfragen, welche von der Vermittlerin einzeln durchgegangen worden seien, nicht korrekt beantwortet habe. So habe die Klägerin sowohl orthopädische als auch psychische Beschwerden nicht angegeben, wegen derer sie in Behandlung gewesen sei. Das Gericht war auch davon überzeugt, dass die Klägerin ihre gesundheitlichen Beschwerden bewusst verschwiegen habe, da sie eine Fülle von Einzelbeschwerden nicht offengelegt hatte. Zudem sei sie nur wenige Tage vor Abschluss des Versicherungsvertrages wegen Migräne, nach der ebenfalls ausdrücklich gefragt worden war, gleich zweimal beim Arzt gewesen. Soweit die Klägerin behauptet, dass sie beispielsweise die orthopädischen Leiden nicht angegeben habe, da diese „wachstums-“ bzw. „pubertätsbedingt“ gewesen seien, verlange die Rechtsprechung, dass auch solche Beeinträchtigungen bei Abschluss eines Versicherungsvertrages angegeben werden. Nachdem die Beklagte die Klägerin auch ausdrücklich über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung belehrt hatte, war die Versicherung nach Ansicht des Landgerichts wirksam von dem Versicherungsvertrag zurückgetreten, sodass die Klägerin aus diesem keine Leistungen beanspruchen konnte.