Das Landgericht Braunschweig hat am 09.09.2021 zum Aktenzeichen 6 KLs 23/19 in dem Strafverfahren wegen bandenmäßigen Betruges und anderer Straftaten das Verfahren gegen den Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt.
Aus der Pressemitteilung des LG Braunschweig vom 09.09.2021 ergibt sich:
Die am 16.09.2021 beginnende Hauptverhandlung wird sich damit allein gegen die vier weiteren Angeklagten richten. Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn wird erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden können.
Aufgrund der gesundheitlichen Situation des Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn und bei ihm jüngst durchgeführten Operation hatte die Kammer über Konsequenzen hieraus für das Strafverfahren zu entscheiden. Zur Vorbereitung ihrer Entscheidungen hat die Kammer medizinische Gutachten eines in einem Universitätsklinikum tätigen Sachverständigen eingeholt. Die bei dem Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn jüngst durchgeführte Operation hat danach aktuell dessen Verhandlungsunfähigkeit zur Folge.
Nach der Strafprozessordnung (StPO) muss eine Hauptverhandlung grundsätzlich in durchgehender Anwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden. Nur in besonderen Ausnahmefällen darf in Abwesenheit eines Angeklagten verhandelt werden. Die Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmefall liegen nach Entscheidung der Kammer hier nicht vor. Das Gesetz (§ 231a Abs. 1 StPO) setzt für eine Verhandlung in Abwesenheit eines Angeklagten voraus, dass dieser seine Verhandlungsunfähigkeit schuldhaft im Sinne einer individuellen Vorwerfbarkeit herbeigeführt hat. Davon ist nach Auffassung der Kammer wegen des Gesundheitszustandes des Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn, der Erforderlichkeit der jüngst durchgeführten Operation und des vorangegangenen Behandlungsverlaufs nicht auszugehen.
In einem zweiten Schritt hatte die Kammer nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob aufgrund der Verhandlungsunfähigkeit das Verfahren gegen Prof. Dr. Winterkorn zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt oder die Hauptverhandlung insgesamt verlegt werden soll.
Nach Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte hat die Kammer die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn als die sachgerechtere Verfahrensweise bewertet.
Insbesondere hat Kammer dabei berücksichtigt, dass eine Verlegung der Hauptverhandlung zu einer weiteren Verzögerung des Verfahrens führen würde. Die Hauptverhandlung musste aufgrund der Corona-Pandemie bereits zweimal verschoben werden. Eine hinreichend belastbare Prognose über den Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte Prof. Dr. Winterkorn wieder vollständig oder zumindest eingeschränkt verhandlungsfähig sein wird, ist nach Auffassung der Kammer zurzeit nicht möglich.
Die Gesamtverfahrensdauer wird sich durch die Abtrennung nicht verdoppeln. In beiden Verfahren sind nur diejenigen Sachverhalte aufzuklären, die für die Strafbarkeit der jeweiligen Angeklagten bedeutsam sind. Laut Anklagevorwurf war Prof. Dr. Winterkorn an der Entwicklung der sog. Akustikfunktion nicht beteiligt und hat erst verhältnismäßig spät von den eventuellen Manipulationen erfahren. Dementsprechend bezieht sich der Anklagevorwurf auf weniger als ein Prozent der ca. neun Millionen Fahrzeuge, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft von den Manipulationen betroffen gewesen seien sollen.