Der Europäische Gerichtshof hat am 02.09.2021 zum Aktenzeichen C-169/20 entschieden, dass die Berechnungsweise der Zulassungssteuer für nach Portugal eingeführte Gebrauchtfahrzeuge gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstößt, da durch die nationalen Rechtsvorschriften nicht gewährleistet wird, dass eingeführte Gebrauchtfahrzeuge einer Steuer unterliegen, die betragsmäßig der Steuer entspricht, die auf vergleichbare, bereits auf dem portugiesischen Markt vorhandene Fahrzeuge erhoben wird.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 146/2021 vom 02.09.2021 ergibt sich:
Mit einem Urteil aus dem Jahr 2016 (C-200/15) stellte der Gerichtshof fest, dass Portugal gegen seine Verpflichtungen aus Art. 110 AEUV verstoßen hat, der den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen gewährleisten soll, indem jede Form des Schutzes beseitigt wird, die aus einer Waren aus anderen Mitgliedstaaten diskriminierenden inländischen Besteuerung folgen könnte. Der Gerichtshof befand, dass das System zur Berechnung der Wertminderung von Fahrzeugen, das zur Feststellung des Steuerwerts von aus anderen Mitgliedstaaten nach Portugal eingeführten Gebrauchtfahrzeugen angewendet wurde, weder die Wertminderung, bevor das Fahrzeug ein Jahr alt ist, noch bei über fünf Jahre alten Fahrzeugen die über 52 % hinausgehende Wertminderung bei der Bestimmung der Höhe der Steuer auf die Fahrzeuge berücksichtigte.
Gemäß dem portugiesischen Kraftfahrzeugsteuergesetz werden die Steuersätze unter Berücksichtigung des Hubraums und einer (anhand des Kohlendioxidausstoßes berechneten) Umweltkomponente festgesetzt. Portugal behauptet, das Urteil von 2016 mit einer Änderung dieses Gesetzes umgesetzt zu haben, durch die die Anzahl der Stufen zur Berechnung der Wertminderung der in sein Hoheitsgebiet eingeführten Gebrauchtfahrzeuge erhöht worden sei. Im Gegensatz zur vorherigen Gesetzesfassung gelten die Sätze für die Wertminderung anhand des Fahrzeugalters allerdings nunmehr ausschließlich für den Hubraum. Die Umweltkomponente wird vollständig geschuldet.
Die Kommission beantragt beim Gerichtshof die Feststellung, dass Portugal dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 110 AEUV verstoßen hat, dass es bei der Berechnung des Wertes der im portugiesischen Hoheitsgebiet zugelassenen und in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Gebrauchtahrzeuge im Rahmen der Berechnung der fraglichen Steuer die Wertminderung in Bezug auf die Umweltkomponente ausgeschlossen hat. Die Modalitäten und die Art der Berechnung der Steuer führen nach Ansicht der Kommission dazu, dass die Besteuerung eines aus einem anderen Mitgliedstaat nach Portugal eingeführten Gebrauchtfahrzeugs fast immer höher ist als die eines vergleichbaren in Portugal zugelassenen Gebrauchtfahrzeugs, was eine Diskriminierung zwischen diesen beiden Fahrzeuggruppen zur Folge habe.
In seinem Urteil vom 02.09.2021 hat der EuGH die Vertragsverletzung durch Portugal festgestellt.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die in einem Mitgliedstaat entrichtete Zulassungssteuer in den Wert des Fahrzeugs mit einbezogen wird. Wird das Fahrzeug in der Folge im gleichen Mitgliedstaat als Gebrauchtfahrzeug verkauft, entspricht sein Verkaufswert, der den Restbetrag der Zulassungssteuer enthält, einem Prozentwert, der durch die Wertminderung des ursprünglichen Fahrzeugwerts bestimmt wird.
Der Gerichtshof stellt fest, dass nach dem reformierten portugiesischen Besteuerungssystem im Unterschied zu der anhand des Hubraums des betreffenden Fahrzeugs berechneten Komponente, für die ein Prozentsatz der Reduzierung je nach Alter des Fahrzeugs vorgesehen ist, keinerlei Verringerung der Umweltkomponente vorgesehen ist, um die Minderung des Verkaufswerts des Fahrzeugs insoweit widerzuspiegeln. Folglich wird die Höhe der Zulassungssteuer für aus anderen Mitgliedstaaten nach Portugal eingeführte Gebrauchtfahrzeuge ohne Berücksichtigung von deren tatsächlicher Wertminderung berechnet. Daher stellen die nationalen Rechtsvorschriften nicht sicher, dass aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Gebrauchtfahrzeuge einer Steuer in der Höhe unterliegen, die betragsmäßig der Steuer entspricht, die auf vergleichbare, bereits auf dem nationalen Markt vorhandene Gebrauchtfahrzeuge erhoben wird. Dies verstößt gegen Art. 110 AEUV.
Portugal ist der Auffassung, dass dieser Umstand durch das Ziel des Umweltschutzes gerechtfertigt werde. Die vollständige Zahlung der Umweltkomponente diene nämlich dazu, die Einfuhr von Gebrauchtwagen nach Portugal einem selektiven Kriterium zu unterwerfen, indem insbesondere unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips ausschließlich umweltbezogene Kriterien angewendet würden.
Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten zwar freisteht, die Modalitäten für die Berechnung der Zulassungssteuer so festzulegen, dass Umweltschutzerwägungen berücksichtigt werden. Es muss jedoch jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung von Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten und jeder Schutz konkurrierender einheimischer Erzeugnisse ausgeschlossen werden. Der Gerichtshof ergänzt, dass das Ziel des Umweltschutzes umfassender und kohärenter erreicht werden könnte, indem alle in einem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeuge mit einer jährlichen Steuer belegt würden, die den nationalen Gebrauchtfahrzeugmarkt nicht zulasten der Zulassung von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Gebrauchtfahrzeugen bevorzugen würde und außerdem dem Verursacherprinzip entspräche.
Der Gerichtshof stellt fest, dass eine in Abhängigkeit des Schadstoffpotenzials eines Gebrauchtfahrzeugs berechnete Steuer, die – wie die in Rede stehende Steuer – erst bei der Einfuhr und Zulassung eines aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Gebrauchtfahrzeugs vollständig erhoben wird, während der Erwerber eines solchen, bereits auf dem Markt des betreffenden Mitgliedstaats vorhandenen Fahrzeugs nur den in den Verkaufswert des von ihm gekauften Fahrzeugs einbezogenen Steuerrestbetrag zu tragen hat, gegen Art. 110 AEUV verstößt.
Der Gerichtshof verwirft auch das Vorbringen Portugals, wonach die Umweltkomponente der fraglichen Steuer in Wirklichkeit eine selbständige Steuer darstelle, die sich von der anhand des Hubraums des betreffenden Fahrzeugs berechneten Komponente unterscheide, da sie sich als einer von zwei Gesichtspunkten darstellt, die für die Berechnung einer einheitlichen Steuer herangezogen werden, und nicht als eine eigenständige Steuer. Außerdem bleibt diese Steuer in jedem Fall diskriminierend.
Schließlich hebt der Gerichtshof hervor, dass – auch wenn die Steuerpflichtigen eine andere Berechnungsmethode der fraglichen Steuer wählen können, indem sie bei der Zolldirektion eine Neuberechnung der Steuer auf Basis einer tatsächlichen Bewertung des betreffenden Fahrzeugs beantragen – das Bestehen einer alternativen Berechnungsmethode für eine Steuer einen Mitgliedstaat weder von der Pflicht zur Beachtung der Grundprinzipien einer wesentlichen Regelung des AEU-Vertrags befreit, noch den Mitgliedstaat zu einem Verstoß gegen diesen Vertrag berechtigt.