Der Europäische Gerichtshof hat am 02.09.2021 zum Aktenzeichen C-647/19 P und C-665/19 P entschieden, dass die Kommission neu prüfen muss, ob der 2014 erfolgte Verkauf des Nürburgrings mit der Gewährung einer staatlichen Beihilfe verbunden war.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 149/2021 vom 02.09.2021 ergibt sich:
Der im Land Rheinland-Pfalz gelegene Nürburgring umfasst eine Motorsport-Rennstrecke, einen Freizeitpark, Hotels und Restaurants. Zwischen 2002 und 2012 erhielten die öffentlichen Unternehmen, die Eigentümer des Nürburgrings waren (im Folgenden: Veräußerer), hauptsächlich von Seiten des Landes Rheinland-Pfalz Beihilfen. Im Jahr 2011 legte Ja zum Nürburgring e.V., ein deutscher Motorsportverband, der sich für die Wiederherstellung und Förderung einer Motorsport-Rennstrecke am Nürburgring einsetzt, bei der Kommission eine erste Beschwerde in Bezug auf diese Beihilfen ein. Im Jahr 2012 eröffnete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren hinsichtlich dieser Beihilfen. Im selben Jahr stellte das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler die Zahlungsunfähigkeit der Veräußerer fest, und es wurde entschieden, ihre Vermögenswerte zu verkaufen. Es wurde ein Bietverfahren eingeleitet, das mit der Veräußerung dieser Vermögenswerte an Capricorn endete.
In den Jahren 2013 und 2014 legten Ja zum Nürburgring und NeXovation, eine in den Vereinigten Staaten ansässige Gesellschaft, deren Kaufangebot für den seinerzeit einem Bietverfahren unterzogenen Nürburgring-Komplex abgelehnt wurde, bei der Kommission weitere Beschwerden ein, mit denen sie geltend machten, das Bietverfahren sei nicht offen, transparent, diskriminierungs- und bedingungsfrei gewesen und habe nicht dazu geführt, dass die Vermögenswerte des Nürburgrings zu einem marktgerechten Preis verkauft worden seien. Ihrer Ansicht nach hat Capricorn somit neue Beihilfen erhalten und für die Kontinuität der wirtschaftlichen Aktivitäten der Veräußerer gesorgt, so dass sich die Anordnung der Rückforderung der von den Veräußerern empfangenen Beihilfen auf Capricorn erstrecken müsse. NeXovation macht geltend, das Angebot von Capricorn sei niedriger als ihres gewesen und dieser Bieter sei damals begünstigt worden. Capricorn habe demnach eine Beihilfe empfangen, die der Differenz zwischen dem gezahlten Preis und dem Marktpreis entspreche.
In ihrem Beschluss vom 1. Oktober 2014 stellte die Kommission erstens fest, dass bestimmte Unterstützungsmaßnahmen zugunsten der Veräußerer rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar seien. Jedoch befand sie, dass Capricorn und ihre Tochtergesellschaften nicht von einer etwaigen Rückforderung der Beihilfen an die Veräußerer betroffen seien (im Folgenden: erste streitige Entscheidung). Zweitens stellte die Kommission fest, dass die Veräußerung der Vermögenswerte des Nürburgrings an Capricorn keine staatliche Beihilfe darstelle (im Folgenden: zweite streitige Entscheidung; diese erging am Ende der Vorprüfungsphase und nicht am Ende eines förmlichen Prüfverfahrens). Insoweit war die Kommission der Auffassung, dass das Bietverfahren offen, transparent und diskriminierungsfrei durchgeführt worden sei, dass es zu einem marktgerechten Veräußerungspreis geführt habe und dass keine wirtschaftliche Kontinuität zwischen den Veräußerern und dem Erwerber bestehe. Sowohl Ja zum Nürburgring als auch NeXovation erhoben Klage beim Gericht, das ihre Klagen jedoch mit Urteilen vom 19. Juni 2019 abwies.
Mit seinen Urteilen vom 02.09.2021 gibt der Gerichtshof den Rechtsmitteln, die Ja zum Nürburgring und NeXovation gegen die Urteile des Gerichts vom 19.06.2019 (T-353/15, T-373/15) eingelegt haben, teilweise statt und hebt die angefochtenen Urteile auf, soweit mit ihnen die zweite streitige Entscheidung der Kommission bestätigt wurde. Sodann entscheidet der Gerichtshof in der Sache und erklärt diese Entscheidung für nichtig.
Insoweit weist der Gerichtshof u. a. darauf hin, dass einer der Faktoren, die bei der Auswahl des Erwerbers der Vermögenswerte des Nürburgrings berücksichtigt wurden, die Bestätigung der Finanzierung seines Angebots war. Nur zwei Angebote wurden als finanziell gesichert angesehen, nämlich das Angebot von Capricorn und das eines anderen Bieters. Da jedoch sowohl der Betrag der gesicherten Finanzierung, über die dieser andere Bieter verfügte, als auch der von ihm gebotene Kaufpreis niedriger waren als bei Capricorn, wurde letztlich das Angebot von Capricorn ausgewählt.
Die Kommission hat jedoch zu Unrecht befunden, dass die Finanzierung des Angebots von Capricorn unzweifelhaft von der Deutschen Bank garantiert worden sei, wovon auch das Gericht ausgegangen ist. Insoweit stellt der Gerichtshof insbesondere fest, dass ein Schreiben dieser Bank vom 10. März 2014 entgegen dem Verständnis der Kommission und des Gerichts eindeutig keine verbindliche Finanzierungszusage enthielt.
Dieser Fehler lässt Zweifel an der Diskriminierungsfreiheit des Bietverfahrens aufkommen, da er belegen könnte, dass Capricorn eine Vorzugsbehandlung erhalten hat und ihr Angebot nicht abgelehnt wurde, während das höhere Angebot von NeXovation wegen fehlenden Finanzierungsnachweises ausgeschlossen wurde.
Der Gerichtshof kommt zum dem Schluss, dass die Beurteilung der Frage, ob die Veräußerung der Vermögenswerte des Nürburgrings an Capricorn mit der Gewährung einer mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfe verbunden war, Anlass zu Bedenken gab, die die Kommission dazu hätten veranlassen müssen, insoweit das förmliche Prüfverfahren einzuleiten.
Hingegen weist der Gerichtshof die Rechtsmittel zurück, soweit sie die erste streitige Entscheidung der Kommission bezüglich der Beihilfen an die Veräußerer betreffen.