Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 20.04.2021 zum Aktenzeichen 8 Sa 754/20 entschieden, dass wenn ein Arbeitnehmer an einem Tag, für den ihm der Arbeitgeber eine Freistellungnach § 25 des Manteltarifvertrags für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen gewährt hat, arbeitsunfähig erkrankt ist, der Anspruch auf Freistellung nicht durch Erfüllung untergeht. Der Freistellungstag ist grundsätzlich nach zu gewähren.
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines tariflichen Zusatzgeldes nach dem Tarifvertrag „Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 14.02.2018“ (TV T-ZUG).
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1982 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen Anwendung, u.a. auch der TV T-ZUG.
Nach § 2 TV T-ZUG erhalten Beschäftigte ein tarifliches Zusatzgeld. Gemäß § 25 des MTV können Beschäftigte statt dieses tariflichen Zusatzgeldes eine Freistellung in Anspruch nehmen.
Für das Jahr 2019 beantragte der Kläger anstelle des tariflichen Zusatzgeldes die Gewährung eines Freistellungstags am 15.04.2019, der von der Beklagten auch gewährt wurde.
An diesem Tag war der Kläger dann allerdings arbeitsunfähig erkrankt.
Die Beklagte teilte daraufhin mit, der beantragte Freistellungstag entfalle ersatzlos und lebe nicht, wie bei Urlaubstagen, wieder auf.
Mit Schreiben vom 20 . 02 . 2020 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Nachzahlung des wegen Krankheit ausgefallenen Freistellungstages nach § 25 MTV in Höhe von 263,12 € brutto geltend.
Das ArbG hat die hierauf gerichtete Zahlungsklage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger ergänzend einen Feststellungsantrag gestellt, ihm stehe aus dem Jahre 2019 noch die Nachgewährung eines tarifvertraglichen Freistellungstages gemäß § 25 MTV zu.
Diesbezüglich hat die Berufung des Klägers Erfolg.
Der Kläger kann keine Zahlung von der Beklagten verlangen. Einen Zahlungsanspruch hätte er nur, wenn er aus Gründen in seiner Person daran gehindert gewesen wäre, bis zum 31.12.2019 seinen Freistellungsanspruch aus § 25 Abs. 1 MTV zu realisieren.
Entweder wurde dem Kläger die Freistellung am 15 . 04 . 2019 gewährt und der Tag vergütet, dann trat Erfüllung ein(so die Beklagte); oder der Anspruch auf einen Freistellungstag verblieb ihm in Anbetracht der Arbeitsunfähigkeit am 15.04.2019.
§ 25 MTV ist nicht zu entnehmen, dass sich der aus anderen als personenbedingten Gründen im Kalenderjahr nicht oder nicht vollständig realisierte Freistellungsanspruch am Jahresende per se in einen Anspruch auf Zahlung des(restlichen) tariflichen Zusatzgeldes umwandelte (vgl. BAG, Urteil vom 20.01.2021 – 4 AZR 283/20).
Die Berufung des Klägers hat allerdings Erfolg hinsichtlich des Feststellungsantrages.
Dieser Antrag konnte auch noch in der Berufungsinstanz in den Rechtsstreit eingeführt werden.
Der Kläger kann die Nachgewährung eines Freistellungstages aus dem Jahre 2019gemäß § 25 MTV verlangen.
Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung der Freistellungstage für das Jahr2019 nicht vollständig im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Eine Erfüllungswirkung durch Freistellung am 15.04.2019 konnte nicht eintreten, weil der Kläger an diesem Tag arbeitsunfähig erkrankt war.
Die bloße Bewilligung des Freistellungstages bewirkt nicht bereits die Erfüllung des klägerischen Anspruchs. Die Auslegung des § 25 MTV ergibt vielmehr, dass der Arbeitgeber im Falle der Freistellung nach § 25 MTV – ausnahmsweise – das Risiko der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit eines Freistellungstages tragen soll. Einer analogen Anwendung des § 9 BUrlG bedarf es hierzu nicht.
So auch das LAG Hamm in seinem Urteil vom 25.11.2020 – 6 Sa 695/20.
Der Anspruch auf Nachgewährung eines Freistellungstages aus dem Jahre 2019 ist auch nicht durch Zeitablauf am 31.12.2019 untergegangen.
Das Gericht folgt insoweit der Auffassung des BAG in seinen Entscheidungen vom 20.01.2021 – 4 AZR 283/20 – und 11.11.2020 – 4 AZR 210/20.
§ 25 MTV sieht für die vorliegende Fallkonstellation kein Erlöschen des Anspruchsvor.
Es liegt auch kein Fall der subjektiven Unmöglichkeit im Sinne des § 275 BGB vor, da die Gewährung von Freistellungstagen, deren Anspruch aus einem früheren Kalenderjahr stammt, im fortbestehenden Arbeitsverhältnis – wie auch hier – ohne weiteres möglich ist.