Das Sozialgericht Stuttgart hat am 23.06.2021 zum Aktenzeichen S 15 KR 636/20 entschieden, dass die Versorgung eines suprapubischen Blasenkatheters keine einfachste medizinische Behandlungsmaßnahme im Sinne der Rechtsprechung des BSG darstellt.
Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 02.08.2021 ergibt sich:
Die Beteiligten stritten um die Kostenerstattung für häusliche Krankenpflege für die Versorgung eines suprapubischen Katheters in Höhe von 495,93 €. Die Klägerin lebte in einer vollstationären Einrichtung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. An der Katheteraustrittsstelle entwickelten sich bei ihr immer wieder Entzündungen. Es bestanden außerdem rezidivierende symptombehaftete Harnwegsinfekte und lokale Rötungen an der Eintrittsstelle des Katheters. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass Bewohner in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für Menschen mit Behinderung gemäß höchstrichterlicher Entscheidung keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege hätten, soweit diese der einfachsten medizinischen Behandlungspflege zuzuordnen seien. Ohne eine Neuanlage des suprapubischen Katheters und ohne Entzündungen mit Läsionen der Haut an der Katheterausstrittsstelle handele es sich nach Aussage des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in seinem Grundsatzgutachten bei der Versorgung eines suprapubischen Katheters aus pflegefachlicher und medizinischer Sicht um eine einfachste Maßnahme der Behandlungspflege im Rahmen häuslicher Krankenpflege. Für die Versorgung in dieser Fallkonstellation seien keine besondere medizinische Sachkunde und keine medizinischen Fähigkeiten erforderlich.
Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Im Falle der Klägerin handele es sich nicht um eine einfachste medizinische Behandlungspflege. Der MDK habe in seinem Grundsatzgutachten zwar die Versorgung eines suprapubischen Katheters zur Abdeckung ohne Entzündung den einfachsten Maßnahmen iSd BSG Rechtsprechung (B 3 KR 10/14 R; B 3 KR 11/14 R; B 3 KR 16/14 R) zugeordnet. Der MDK habe aber weiterhin mitgeteilt, dass es sich im Umkehrschluss zu dem Urteil des BSG um keine einfachste Maßnahme handele, wenn eine nennenswerte Gefahr (z.B. Infektions- oder Verletzungsgefahr) bestehe. Nicht einfachste Maßnahmen ließen sich folgendermaßen kennzeichnen: erhebliche/beachtliche medizinische Kenntnisse erforderlich, über die regelmäßig nur medizinisches Fachpersonal verfüge und bei Eingriffen in den Körper. Aufgrund der bei der Klägerin vorliegenden Entzündungen und symptombehafteten Harnwegsinfekten war das Gericht der Überzeugung, dass es sich nicht um eine „einfache Versorgung“ handele und der Anspruch der Klägerin daher begründet war.