Das Sozialgericht Stuttgart hat am 15.03.2021 zum Aktenzeichen S 1 U 1184/20 entschieden, dass der Kläger keinen Arbeitsunfall erlitten hat, als er bei einer Busfahrt in Ausübung seiner Beschäftigung als Berufskraftfahrer an einem nicht näher bekannten Tag Ende Februar 2002 nach eigenen Angaben den linken Arm beim Lenken des Busses an einer gepolsterten Sitzlehne angestoßen habe, der Arm verkrampft, ein Nerv verstaucht und eingeklemmt worden sei, was am 01.03.2002 eine Operation erforderlich gemacht habe.
Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 02.08.2021 ergibt sich:
Mit Schreiben vom 27.03.2018 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten die Anerkennung eines Arbeitsunfalls von Februar 2002 mit der Folge einer Ellenbogenoperation geltend machen.
Mit Bescheid vom 02.05.2018 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger am 30.01.2002 keinen Arbeitsunfall erlitten habe und Entschädigungsleistungen nicht zu erbringen seien. Zur Begründung führte sie aus, die Tochter des Klägers habe am 04.01.2018 telefonisch mitgeteilt, dass der Kläger am 30.01.2002 einen Unfall mit Verletzung der linken oberen Extremität gehabt habe.
Der Kläger selbst habe angegeben, dass sich bei seiner Tätigkeit als Busfahrer Ende Februar 2002 sein linker Arm verkrampft habe und heftig in die Gegenrichtung angestoßen sei.
Der Bevollmächtigte des Klägers habe im Schreiben vom 27.03.2018 mitgeteilt, dass der Kläger während der Tätigkeit als Busfahrer beim Fahren ohne äußeres Ereignis einen starken Schmerz verspürt habe, der mit einem Schmerz in der Hand einhergegangen sei.
Der einzige ärztliche Befund zu diesen Vorgängen datiere vom 22.02.2002 und berichte über eine Operation wegen einer Einengung des Nervus ulnaris (Ellennerv). Aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse sei auch ersichtlich, dass der Kläger bereits in der Zeit vom 24.09. bis 08.10.2001 wegen einer Läsion des Nervus ulnaris arbeitsunfähig gewesen sei. Der Krankenkasse sei für diesen Zeitraum kein Arbeitsunfall mit einer entsprechenden Verletzung gemeldet worden. Aus diesen Gründen sei ein Arbeitsunfall im Vollbeweis nicht nachgewiesen. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass eines Unfalls im Jahre 2002 bzw. am 30.01.2002 mit Verletzung der linken oberen Extremität könnten daher nicht erbracht werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund des Feststellungsverfahrens habe nicht mit dem notwendigen Vollbeweis nachgewiesen können, dass der Kläger am 30.01.2002 bzw. im Februar 2002 während seiner beruflichen Tätigkeit einen Unfall erlitten habe. Allein der Umstand, dass ab Februar 2002 eine Behandlungsbedürftigkeit eines Sulcus-ulnaris-Syndroms (Einengung des Nervus ulnaris, einem Nervenkanal, der an der Innenseite des Ellbogens verläuft) links vorgelegen habe bzw. die Beschwerden nach Angaben des Klägers während seiner Busfahrertätigkeit aufgetreten seien, sei nicht ausreichend, um von einem Arbeitsunfall ausgehen zu können. Die Nichterweislichkeit einer anspruchsbegründenden Tatsache sei nach dem Grundsatz der objektiven Beweis- und Feststellungslast vom Kläger zu tragen. Die Folgen der Beweislosigkeit fielen ihm zur Last.
Dagegen hat der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 27.03.2020 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erheben lassen. Zur Begründung hält er an seiner Sach- und Rechtsauffassung fest und weist abschließend darauf hin, dass ein Arbeitsunfall jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne. Auch sei für eine Einwirkung von außen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII kein äußerliches, mit den Augen zu sehendes Geschehen erforderlich. Vielmehr könne die Einwirkung im Rahmen der versicherten Tätigkeit üblich und selbstverständlich sein oder sich als alltäglicher Vorgang, wie z. B. das Stolpern über die eigenen Füße, Umknicken oder ein Aufschlag auf den Boden, darstellen (Urteil des SG Karlsruhe vom 20.04.2017, S 1 U 904/16; Urteil des BSG vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R). Insoweit sei das Anstoßen des Armes während der Fahrt ein Unfallereignis, weil dadurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirke.
Die Kammer hat die Klage als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb
„Versicherter“ ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis sein und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. dazu BSG Urteil vom 17.12.2015, B 2 U 8/14 R m. w. N.).
Durch das Erfordernis der Einwirkung von außen wird zum Ausdruck gebracht, dass ein Unfall aufgrund innerer Ursachen nicht als Arbeitsunfall anzusehen ist (Hauck/Noftz/Keller Kommentar zum SGB VII, § 8 Rn. 11). Ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis ist auch dann gegeben, wenn der Boden beim Auffallen des Versicherten gegen den Körper stößt, denn es handelt sich um eine Einwirkung der Umwelt auf den Körper. Auch eine äußerliche Verletzung in Form einer körperlich-organischen Schädigung ist nicht erforderlich (Schmitt, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, § 8 Randziffer 137).
Ein Unfall ist jedoch nur dann als Arbeitsunfall anzusehen, wenn das durch die versicherte Tätigkeit ausgelöste Ereignis kausal geworden ist für einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten. Voraussetzung dafür ist, dass das schädigende Ereignis für einen Erstschaden ursächlich ist. Erforderlich für die Feststellung der Kausalität ist die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach ist der Unfall dann als kausal anzusehen, wenn er die wesentliche Bedingung für den Schadenseintritt gewesen ist (vgl. Schmitt, a. a. O., Randziffer 146 ff.).
Hier liegt nach Überzeugung der Kammer kein Arbeitsunfall vor, weil auch bei Annahme eines Unfallereignisses in Form des Anstoßens des Ellenbogens während einer beruflich veranlassten Busfahrt ein dadurch verursachter Gesundheitserstschaden nicht nachgewiesen ist und darüber hinaus nicht festgestellt werden kann, dass dieses Anstoßen wesentliche Bedingung für eine Reizung des Ellenbogens und ein Sulcus-ulnaris-Syndrom gewesen ist. So ist bereits ein konkretes Unfallereignis, zeitlich begrenzt, längstens innerhalb einer Arbeitsschicht, nicht nachgewiesen. Der Kläger selbst spricht von einem Ereignis im Verlaufe oder Ende des Februar 2002, ohne dazu nähere Angaben machen zu können. Seine Tochter hat gegenüber der Beklagten vom 30. Januar 2002 gesprochen. Genaue ärztliche Feststellungen oder gar ein Durchgangsarztbericht liegen dazu nicht vor. Darüber hinaus wird im Arztbrief von Dr. L von keinem Unfallereignis berichtet und die Ermittlungen der Beklagten haben auch ergeben, dass bereits im September 2001 beim Kläger ein Sulcus-ulnaris-Syndrom diagnostiziert und bereits damals die Empfehlung einer Nervverlegung ausgesprochen worden ist.
Aus diesen Gründen ist ein Arbeitsunfall nicht nachgewiesen und im erforderlichen Vollbeweis gesichert. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend.
Zusätzlich fehlt es an einem nachgewiesenen Gesundheitserstschaden. Auch bei Annahme eines Unfallereignisses kann dieses nicht als wesentliche Bedingung für die Verursachung eines Schadens im Bereich des linken Ellenbogens angesehen werden, weil ein Gesundheitserstschaden nicht dokumentiert ist und die Diagnose eines Sulcus ulnaris Syndroms bereits im September 2001 ärztlich festgehalten ist.
Der Gerichtsbescheid ist nicht rechtskräftig.