Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen einzelne Vorschriften des Kulturgutschutzgesetzes

Das Bundesverfassungsgericht hat am 28.06.2021 zum Aktenzeichen 1 BvR 1727/17 mehrere Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen einzelne Vorschriften des Gesetzes zum Schutz von Kulturgut (Kulturgutschutzgesetz – KGSG) richteten.

Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 67/2021 vom 03.08.2021 ergibt sich:

Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig, weil sie insbesondere nicht die Subsidiaritätsanforderungen erfüllen.

Sachverhalt:

Mit dem am 6. August 2016 in Kraft getretenen Kulturgutschutzgesetz wurde eine umfassende Neuregelung des Rechts des Kulturgutschutzes angestrebt. Es enthält Regelungen über die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern, die Rückgabe von unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern sowie über das Inverkehrbringen von Kulturgütern und die dabei vom Handel zu beachtenden Sorgfaltspflichten.

§ 21 Nr. 2, § 24 Abs. 1 KGSG verbietet die Ausfuhr jeglichen Kulturguts, das die angeführten Wert- und Altersgrenzen überschreitet. Es besteht jedoch ein Genehmigungsvorbehalt. § 28 KGSG normiert ein strafbewehrtes Einfuhrverbot bei illegaler Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat. Es findet keine Anwendung auf Kulturgut, das sich zum 6. August 2016 rechtmäßig im Bundesgebiet befunden hat, soweit nicht unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union Abweichendes anordnen. § 21 Nr. 3 KGSG enthält ein Ausfuhrverbot nach einer unrechtmäßigen Einfuhr. § 40 KGSG verbietet das Inverkehrbringen von abhandengekommenem, rechtswidrig ausgegrabenem oder unrechtmäßig eingeführtem Kulturgut und knüpft umfangreiche zivilrechtliche Folgen daran, unter anderem die Nichtigkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften über solches Kulturgut. § 42 Abs. 1 KGSG regelt zudem besondere Sorgfaltspflichten für das gewerbliche Inverkehrbringen von Kulturgut.

Bei den Beschwerdeführerinnen handelt es sich um Kunst- und Antiquitätenhändler sowie Auktionshäuser, die unter anderem einen Verstoß gegen ihre Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und ihr Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG geltend machen. Sie rügen zudem überwiegend eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig.

Das Vorbringen erfüllt bereits teilweise nicht die Anforderungen an die eigene Betroffenheit und zeigt keinen möglichen Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG auf.

Darüber hinaus wahren die Verfassungsbeschwerden nicht die Subsidiaritätsanforderungen, von deren Erfüllung die Beschwerdeführerinnen auch nicht deshalb befreit sind, weil sie einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG wegen mangelnder Gesetzgebungskompetenz des Bundes rügen. Die angegriffenen Regelungen enthalten auslegungsbedürftige und -fähige Rechtsbegriffe, zu deren Auslegung und Anwendung zunächst die Fachgerichte berufen sind.

Zur Klärung der fachrechtlichen Maßstäbe erweist sich zunächst eine fachgerichtliche Auslegung des „zumutbaren Aufwands“ gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 KGSG und seiner Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit der Anforderungen beim gewerblichen Inverkehrbringen von Kulturgütern (§ 44 KGSG) als notwendig.

Auch besteht ein fachgerichtlicher Klärungsbedarf für das Merkmal des Abhandenkommens in § 40 Abs. 1 KGSG, das anzuwendende ausländische Fachrecht gemäß § 28 Nr. 1, § 30 KGSG sowie die Aufzeichnungspflicht nach § 45 KGSG.

Das Ausfuhrverbot mit Genehmigungsvorbehalt aus § 21 Nr. 2, § 24 Abs. 1 KGSG erfordert ebenfalls eine fachgerichtliche Klärung, ohne die nicht zu erkennen ist, ob massive Verzögerungen in einer signifikanten Anzahl von Fällen auftreten, die kurzfristige Ausfuhren unmöglich machten.

Zunächst geklärt werden muss zudem, ob die in § 24 Abs. 7 KGSG vorgeschriebene Zehn-Tages-Frist für die Bearbeitung der Ausfuhranträge und die Möglichkeit der Inanspruchnahme von verwaltungsgerichtlichem Eilrechtsschutz nicht ausreichen, um Beschleunigungserfordernissen des Handels ausreichend Rechnung zu tragen.

Den Fachgerichten bleibt auch die Klärung der in den Verfassungsbeschwerden vorgebrachten Befürchtung überlassen, wegen ungewisser oder mangelnder Ausfuhrfähigkeit eines Kulturguts sinke die Nachfrage aus dem Ausland, so dass ein erheblicher Wettbewerbsnachteil im international ausgerichteten Kunsthandel entstehe.

Ohne eine vorherige fachgerichtliche Prüfung der Erfahrungen seit Inkrafttreten des Gesetzes kann auch nicht beurteilt werden, inwiefern die Beschwerdeführerinnen angesichts der Stichtagsregelungen (§ 29 Nr. 1, § 32 Abs. 1 KGSG) durch das Ausfuhrverbot unverhältnismäßig belastet sind. Einer fachgerichtlichen Prüfung der Entwicklung seit Inkrafttreten des Gesetzes bedarf es letztlich auch im Hinblick auf den wirtschaftlich zumutbaren Aufwand zur Erfüllung der Prüfungspflicht für die Provenienz von Kulturgut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 KGSG.