Das Oberlandesgericht Stuttgart hat am 28.07.2021 zum Aktenzeichen 3 – 32 OJs 29/18 das Urteil in einem Staatsschutzverfahren gegen ein ehemaliges Mitglied der sog. „Kurdischen Arbeiterpartei“ (PKK) verkündet.
Aus der Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 28.07.2021 ergibt sich:
Der 37-jährige türkische Staatsangehörige wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in 22 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Nach den Feststellungen des Senats handelt es sich bei der PKK um eine 1978 von Abdullah Öcalan gegründete, seit 1993 in Deutschland verbotene und im Jahr 2002 von der Europäischen Union als terroristisch eingestufte Gruppierung, die sich ursprünglich die Schaffung eines unabhängigen Kurdenstaates zum Ziel gesetzt hatte. Aktuell erstrebt die PKK vorgeblich die Schaffung kultureller Autonomie und die Gewährleistung lokaler Selbstverwaltung, tatsächlich verbirgt sich dahinter ein staatsähnlicher, nach dem Sprachgebrauch der PKK „konföderaler“ Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, in Syrien sowie im Iran und Irak, mit einer Reihe von staatlichen Attributen wie Parlament, eigener Gerichtsbarkeit bis hin zu einer kurdischen Armee und Staatsbürgerschaft. Im Zuge des von der PKK seit 1984 zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele geführten bewaffneten Kampfes verüben organisationsinterne militärisch strukturierte Guerillaeinheiten vor allem im Südosten der Türkei meist tödliche Anschläge und Attentate auf türkische Sicherheitskräfte, bei denen immer wieder auch Zivilisten verletzt und getötet werden. In Deutschland und anderen Ländern Europas besitzt die PKK eine unselbständige Teilorganisationsstruktur.
Der Angeklagte war – so der Senat – von Oktober 2016 bis Anfang/Mitte Februar 2018 als Verantwortlicher des PKK-Raumes Bruchsal eingesetzt. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die PKK war er zum einen zuständig für die Organisation von Veranstaltungen, den Verkauf von Eintrittskarten und Bustickets für Fahrten zu Kundgebungen, Demonstrationen und Festivals, die von der PKK selbst oder mit deren Einvernehmen veranstaltet wurden. So war er u.a. auch mit der Organisation des sog. „Langen Marsch“, einem Demonstrationszug der Jugendorganisation der PKK mit Ziel Straßburg, im Februar 2017 in Bruchsal betraut und hatte in diesem Zusammenhang die Unterbringung von Jugendlichen in „patriotischen Familien“ zu organisieren. Er betreute dann diesen Marsch über Offenburg weiter bis über die französische Grenze.
Zum anderen war er mit dem Einsammeln von monatlichen Spendengeldern sowie Geldern der Jahresspendenkampagne 2017 zugunsten der PKK und für deren Weiterleiten an den jeweiligen Gebietsverantwortlichen sowie mit dem Verkauf von seitens der PKK vertriebenen Zeitungen, Zeitschriften und Büchern betraut. Die gesammelten Gelder verwahrte der Angeklagte in bar und übergab sie in regelmäßigen Abständen nach näherer Weisung an den jeweiligen Gebietsverantwortlichen des Gebiets Pforzheim, damit die Gelder letztlich über die organisationsintern zuständigen Stellen in bar aus dem Bundesgebiet in die Niederlande und nach Belgien verbracht werden konnten. Nach Abzug des Finanzbedarfs der PKK in Europa – so für von der PKK betriebene Fernsehsender, Zeitungen usw. – wurden die Restbeträge über Scheinfirmen in den Irak bzw. die Kandil-Berge verbracht, wo sie der PKK und ihren einzelnen Gliederungen zur Verfügung standen. Die Gelder verwendete die PKK zumindest auch für den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat und dessen Streitkräfte.
Der Senat hat bei der Strafzumessung zu Gunsten der Angeklagten gewürdigt, dass er umfangreiche Einlassungen zur Sache und zu von anderen Personen zugunsten der PKK begangenen Taten abgegeben und dadurch Aufklärungshilfe von Gewicht geleistet hat. Sein umfassendes und vorbehaltloses Geständnis hat zu einer erheblichen Verkürzung der Beweisaufnahme geführt. Eine Strafaussetzung zur Bewährung war für den Senat möglich, nachdem zu erwarten war, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Bei dieser Prognoseentscheidung hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass der in Deutschland nicht vorbestrafte, hier sozial integrierte Angeklagte sich nach Begehung der Taten vom Gedankengut und von der Vorgehensweise der PKK distanziert hat.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.