Tätigkeitsbeschreibung für Syndikusrechtsanwalt

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.04.2021 zum Aktenzeichen 9 AZR 662/19 entschieden, dass Ein Syndikusrechtsanwalt von seinem Arbeitgeber verlangen kann, eine Tätigkeitsbeschreibung zu erhalten.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erteilung einer „Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwältin / Syndikusrechtsanwalt“, die er für einen Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gegenüber der Rechtsanwaltskammer zu verwenden beabsichtigt.

Der Klageantrag ist seinem Wortlaut nach zwar darauf gerichtet, dem Kläger die Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwalt zur Vorlage bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt, laufend auf seinen Namen, von mindestens einem zur Vertretung befugten Organmitglied unterzeichnet, herauszugeben. Unter Einbeziehung der Klagebegründung und des schriftsätzlichen Vorbringens des Klägers richtet sich sein Begehren jedoch nicht in erster Linie auf die Herausgabe der Urkunde, sondern auf Abgabe der in der Tätigkeitsbeschreibung bezeichneten Erklärungen, die gemäß Ziff. IV. der Tätigkeitsbeschreibung hinsichtlich der Angaben unter II. und III. Bestandteil des Arbeitsvertrags werden. Der Antrag bezieht damit Erklärungen ein, die eine Vertragsänderung verlangen. Die geänderten Vertragsbedingungen sind in den von dem Kläger mit der Tätigkeitsbeschreibung begehrten Erklärungen als Angebot auszulegen und so hinreichend bestimmt, dass die Beklagte diese durch ihre Unterschrift einem schlichten „Ja“ annehmen konnte.

Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob der Klageantrag begründet ist. Das Landesarbeitsgericht durfte den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung der begehrten Tätigkeitsbeschreibung aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mit der Begründung abweisen, die Handhabung der Beklagten, anderen Arbeitnehmern mit der Befähigung zum Richteramt die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu ermöglichen, habe keine verteilende Entscheidung zugrunde gelegen.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, aus dem sich auch ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung ergeben kann, gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Verstößt der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Dabei kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden sind. Eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht nur dann anwendbar, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, sondern grundsätzlich auch dann, wenn er – nicht auf besondere Einzelfälle beschränkt – nach Gutdünken oder nach nicht sachgerechten oder nicht bestimmbaren Kriterien leistet.

Danach hält die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beklagten habe der Abschluss der Änderungsverträge freigestanden, weil ihre Zulassungspraxis in der Vergangenheit uneinheitlich und teilweise ohne genauere Prüfung der rechtlichen Konsequenzen erfolgt sei, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das Fehlen eines generalisierenden Prinzips und einer – hier in Betracht kommenden – Leistungsgewährung nach Gutdünken an eine Mehrzahl von Arbeitnehmern steht der Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht entgegen. Die Beklagte darf nicht willkürlich darüber entscheiden, welchen – vergleichbaren – Mitarbeitern sie eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt / Syndikusrechtsanwältin ermöglicht und welchen nicht.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Landesarbeitsgericht durfte einen Anspruch des Klägers auf Erteilung der begehrten Tätigkeitsbeschreibung auch nicht mit der Begründung abweisen, im Landesbezirk Hessen gebe es keine mit dem Kläger vergleichbaren Beschäftigten, denen eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt / Syndikusrechtsanwältin ermöglicht worden sei.

Der Arbeitgeber hat aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Gleichbehandlung betriebsübergreifend zu gewährleisten, wenn seine verteilende Entscheidung nicht auf den einzelnen Betrieb begrenzt ist, sondern sich auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens bezieht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Betrieben ist nur zulässig, wenn es hierfür sachliche Gründe gibt. Dabei sind die Besonderheiten des Unternehmens und die seiner Betriebe zu berücksichtigen.

Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, für die Beurteilung einer Ungleichbehandlung sei auf die Handhabung innerhalb des Landesbezirks Hessen und nicht auf die Gesamtheit aller Landesverbände der Beklagten abzustellen, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Der vom Landesarbeitsgericht als maßgeblich erachtete Hinweis auf § 12 Ziff. 3 der Rechtsschutzrichtlinie, dem zufolge die Geschäftsführung und die Rechtssekretäre/-innen gemeinsam mit den Fachbereichen für den Bezirk verbindliche Regelungen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung beim Rechtsschutz treffen, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass die Entscheidung über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt / Syndikusrechtsanwältin gesondert in den einzelnen Landesverbänden getroffen wird und werden darf. Zudem genügt die im Konjunktiv getroffene Annahme, die in den unterschiedlichen Landesbezirken getroffenen internen Regelungen „dürften nicht identisch sein“, nicht der gebotenen Tatsachenfeststellung.

Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob der Anspruch begründet ist.

Das Landesarbeitsgericht wird unter Beachtung der Grundsätze einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast festzustellen haben, ob die Beklagte – nicht lediglich in besonderen Einzelfällen – vergleichbaren Gewerkschaftssekretären die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin / Syndikusrechtsanwalt ermöglicht hat und ob und gegebenenfalls seit wann genau eine bundeseinheitliche Regelung praktiziert wird. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht der weiteren Frage nachzugehen haben, ob die Beklagte eine unternehmensbezogene verteilende Entscheidung getroffen bzw. den bei ihr angestellten Gewerkschaftssekretären willkürlich oder nach Gutdünken eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ermöglicht oder versagt hat. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob die Beklagte die zur Beschäftigung als Syndikusrechtsanwalt notwendige Änderung des Arbeitsvertrags zentral für alle Beschäftigten der Beklagten entscheidet oder es den einzelnen Landesbezirksleitungen selbst überlässt, im Rahmen ihrer Eigenorganisation des Rechtsschutzes eine autonome Handhabung zu praktizieren. Träfe der jeweilige Landesbezirk die entsprechende Entscheidung, würde sich seine Kompetenz auf seinen eigenen Zuständigkeitsbereich beschränken. Er wäre einerseits nicht in der Lage, die Praxis im Kompetenzbereich eines anderen Landesbezirks zu beeinflussen, und andererseits auch nicht verpflichtet, seine eigene Praxis daran auszurichten. Daraus folgte, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hätte, mit den Beschäftigten in den anderen Landesbezirken gleich behandelt zu werden (vgl. BAG 22. Februar 2001 – 6 AZR 398/99 – Rn. 56). Sollte das Landesarbeitsgericht andererseits von einer Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgehen, bliebe zu prüfen, ob die Beklagte sich auf sachliche Gründe berufen kann, die es rechtfertigen, Rechtssekretären / Rechtssekretärinnen die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt / Syndikusrechtsanwältin zu ermöglichen, nicht jedoch dem Kläger.