Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 20. November 2018 zum Aktenzeichen: 7 A 10636/18 entschieden, dass die Stadt Neuwied nicht auf Wunsch eines Taxiunternehmers die Taxientgelte erhöhen muss.
Der Taxiunternehmer betreibt unter anderem in der Stadt Neuwied ein Taxiunternehmen. Bei Fahrten im Stadtgebiet unterliegt sie den Bestimmungen der Tarifordnung der Stadt Neuwied für den Verkehr mit Taxen, deren verbindliche Beförderungsentgelte von der Stadt zuletzt zum 1. Januar 2015 angepasst wurden. Im Mai 2016 beantragte Der Taxiunternehmer erstmals eine Erhöhung der Tarife wegen der flächendeckenden Einführung eines Mindestlohns für das Taxigewerbe. Nachdem die Beklagte Stellungnahmen des Verbandes des Verkehrsgewerbes Rheinland e.V. (VDV) und der Industrie- und Handelskammer Koblenz (IHK) eingeholt hatte, lehnte sie die beantragte Erhöhung ab. Im Juli 2017 stellten Der Taxiunternehmer und ein weiteres Taxiunternehmen erneut einen Antrag auf Anhebung der Beförderungsentgelte für den Taxenverkehr und führten zur Begründung Kostensteigerungen sowie ein zurückgehendes Fahrgastaufkommen an. Nach Einholung neuer Stellungnahmen des VDV und der IHK sowie der bei ihr ansässigen weiteren sieben Taxiunternehmer lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Der Taxiunternehmer erhob Klage mit dem Ziel, festzustellen, dass die Beklagte zum Erlass einer neuen Taxentarifordnung verpflichtet sei. Mit den derzeit geltenden Taxentarifen könne angesichts der erheblich gestiegenen Gesamtkosten allenfalls bei Beschäftigung von Schwarzarbeitern kostendeckend gewirtschaftet werden. Selbst in diesem Fall sei die Gewinnspanne allenfalls marginal. Die Beklagte habe zudem auf unzureichender Tatsachengrundlage entschieden. Insbesondere fehle es an einer eigenen Kalkulation der Stadt, die die Mindestprüfungsgrundlage darstelle. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung der Klägerin zurück.
Der Taxiunternehmer habe keinen Anspruch auf eine Tariferhöhung oder auf eine Neufassung der von ihm beanstandeten Tarifordnung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Entscheidung der Stadt über die Beförderungsentgelte in der zum 1. Januar 2015 angepassten Tarifordnung für den Verkehr mit Taxen sowie deren nachfolgende Beibehaltung seien nicht zu beanstanden. Nach den Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes seien die festgesetzten Beförderungsentgelte im Taxenverkehr durch Rechtsverordnung so festzusetzen, dass sie zumindest kostendeckend seien; die vom Gesetz im öffentlichen Interesse gewünschte Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Beförderer gebiete darüber hinaus die Veranschlagung von angemessenen Gewinnspannen und Aufwendungen für notwendige technische Entwicklungen. Angesichts des der Stadt zukommenden normativen Ermessens sei ihre Entscheidung über die festzusetzenden Taxitarife nur dahingehend zu überprüfen, ob sie den für die Festsetzung des konkreten Tarifs maßgeblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt habe und ob die Prognose über den möglichen Verlauf der weiteren Entwicklung der wirtschaftlichen Lage erkennbar fehlerhaft sei.
Die von der Stadt durchgeführte Sachverhaltsermittlung bewege sich im Rahmen des ihr als Verordnungsgeber eingeräumten Entscheidungsspielraums. Angemessene Beförderungsentgelte – sowie auch darauf aufbauende Tarifanpassungen – ließen sich vor dem Hintergrund der in der Vergangenheit offenbar auskömmlich festgesetzten Beförderungsentgelte auch ohne Kenntnis der genauen Einnahmesituationen der Taxenunternehmer festsetzen. Die Beklagte habe zur Beurteilung der Auskömmlichkeit der zum 1. Januar 2015 geänderten Tarife aufgrund der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes davon ausgehen können, dass die vormaligen Tarife bis dahin zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt worden seien, und auf dieser Grundlage die Angemessenheit von neuen Tarifen bestimmen können. Hierbei habe sie bei der Frage, wie hoch die Entgelte zu erhöhen gewesen seien, in ihre Überlegungen auch einbeziehen dürfen, dass die zum 1. Januar 2015 von ihr festgesetzten Beförderungsentgelte im Vergleich mit den benachbarten Städten und Landkreisen im nördlichen Rheinland-Pfalz bereits im oberen Bereich gelegen seien. Auch die von der Stadt nachfolgend angestellten Ermittlungen anlässlich der Erhöhungsanträge der Klägerin seien nicht zu beanstanden. Schon aus dem eigenen Vortrag der Klägerin lasse sich keine schlüssige Begründung der begehrten Tariferhöhungen entnehmen. Die von ihr vorgelegten und auf ihr Unternehmen bezogenen Unterlagen enthielten keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die von ihr beanstandeten Einzeltarife für sie selbst oder – was der allein maßgebliche Prüfungsmaßstab sei – für das Taxengewerbe im Gebiet der Stadt insgesamt unauskömmlich sein könnten. Auch aus den Rückmeldungen der IHK und des VDV sowie aus den – wenigen – Stellungnahmen der Taxenunternehmer hätten sich keine entscheidungserheblichen Hinweise auf die von der Klägerin geltend gemachte Unangemessenheit der Tarife feststellen lassen.
Hiervon ausgehend sei auch die von der Stadt auf dieser Tatsachengrundlage getroffene Prognoseentscheidung über den möglichen Verlauf der weiteren Entwicklung der wirtschaftlichen Lage nicht erkennbar fehlerhaft. Die Beklagte habe auch befürchtete Nachfrageeinbußen und damit einhergehende Nachteile auf Seiten der Unternehmer sowie die Unzumutbarkeit einer weiteren Tariferhöhung für die Fahrgäste als öffentliche Verkehrsinteressen und Gemeinwohlbelange berücksichtigen dürfen. Im Übrigen werde durch die Möglichkeit der substantiierten Geltendmachung neuer Tarife bei geänderten maßgeblichen Rahmenbedingungen die notwendige Flexibilität des Reagierens auf veränderte Verhältnisse für die Zukunft gewährleistet, zumal aktuell im Hinblick auf die zum 1. Januar 2019 anstehende Erhöhung des Mindestlohnes eine erneute Überprüfung stattfinde.
Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach, LL.M. vertritt Taxifahrer und Taxiunternehmer im Beförderungsrecht.