Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 12.05.2021 zum Aktenzeichen 2 Sa 29/21 entschieden, dass eine im Arbeitsvertrag zwischen einer ausländischen Fluggesellschaft und einem Piloten enthaltene unternehmensweite Versetzungsklausel auch die Versetzung an einen ausländischen Flughafen als Heimatflughafen umfasst.
Es ist zwar umstritten, ob die Regelung des § 106 GewO grundsätzlich auch eine Versetzung ins Ausland zulässt.
Der Meinungsstreit konnte hier dahingestellt bleiben, da die Parteien im Arbeitsvertrag eine andere, nämlich eine die Versetzung ins Ausland umfassende Versetzungsklausel vereinbart haben.
Die Parteien streiten insbesondere um die Wirksamkeit einer Versetzung.
Der Kläger ist seit 2017 als Kapitän beschäftigt und am Flughafen in Nürnberg stationiert.
Sein Arbeitsverhältnis ging zum 01.01.2020 im Weg des Betriebsübergangs auf die Beklagte über.
Die Beklagte ist eine irische Fluggesellschaft.
Sie führt an verschiedenen Flughäfen in Deutschland sowie in Italien, Frankreich, Malta und Rumänien internationale Flüge durch. Im Arbeitsvertrag war zunächst die Anwendbarkeit irischen Rechts vereinbart.
Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages enthält eine Regelung, wonach der Kläger seine Aufgaben mit irischen Flugzeugen wahrzunehmen hat und sein Arbeitsplatz somit im Gebiet der Republik Irland liegt.
Weiter heißt es dort, dass Einsatzort hauptsächlich der Flughafen Nürnberg ist, der Kläger aber auch an einem anderen Ort versetzt werden kann. Weiter ist vereinbart, dass sich die Vergütung bei Versetzung nach dem dann an der neuen Base geltenden Gehaltssystem richten soll.
Ende 2019 schlossen die Beklagte und die Gewerkschaft Cockpit einen Vergütungstarifvertrag (VTV) sowie einen Tarifsozialplan (TVSP) bezüglich der Stilllegung/Einschränkung von Stationierungsorten für die Piloten in Deutschland.
Es wurde u.a. festgelegt, dass für alle an deutschen Basen stationierten Piloten rückwirkend zum 01.02.2019 deutsches Recht Anwendung findet. Der Personalüberhang in Deutschland sollte danach in mehreren Stufen abgebaut werden.
Es sollten zunächst Versetzungen an andere Flughäfen in Deutschland erfolgen, dann an andere Flughäfen in der EU (einschließlich Großbritannien, Norwegen und Schweiz), als letzte Option blieb die betriebsbedingte Kündigung.
Die Station in Nürnberg wurde im Rahmen des Betriebsübergangs geschlossen.
Mit Schreiben vom 20.01.2020 wurde der Kläger mit Wirkung zum 01.05.2020 nach Bologna/Italien versetzt.
Der Kläger hat die Unwirksamkeit der Versetzung gerichtlich geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht Nürnberg hat die Klage abgewiesen.
Auch die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Versetzung des Klägers nach Bologna ist wirksam.
Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält keine Festlegung des Arbeitsortes.
Der Wortlaut der Versetzungsklausel enthält keine örtliche Begrenzung etwa auf Deutschland oder Europa. Die Versetzungsklausel verstößt nicht gegen § 106 GewO.
Es ist zwar umstritten, ob die Regelung des § 106 GewO grundsätzlich auch eine Versetzung ins Ausland zulässt.
Der Meinungsstreit kann hier dahingestellt bleiben, da die Parteien im Arbeitsvertrag eine andere, nämlich eine die Versetzung ins Ausland umfassende Versetzungsklausel vereinbart haben.
Die Versetzungsklausel hält auch einer Inhaltskontrolle stand, sie ist weder intransparent noch benachteiligt sie den Kläger unangemessen.
Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel verstößt allerdings gegen die Regelungen im TVSP und ist, soweit sie die Versetzung über die EU-Länder einschließlich Großbritannien, Norwegen und die Schweiz hinaus ermöglicht, nicht anzuwenden. Die arbeitsvertragliche Regelung ist nicht günstiger als die tarifliche (§ 4 Abs. 3 TVG).
Auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt der TVSP im Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG).
Der Kläger hatte seine Heimatbasis in Nürnberg.
Dieser Stationierungsort wurde stillgelegt.
Damit ist der räumliche, sachliche und persönliche Anwendungsbereich des TVSP eröffnet.
Der TVSP regelt im Einzelnen den Prozess der Personalreduzierung bei Stilllegungen von Stationierungsorten und lässt hierbei in Stufe 4 die Versetzung/Änderungskündigung innerhalb Europas einschließlich Großbritanniens, Norwegens und der Schweiz zu.
Die Versetzung des Klägers nach Bologna erfolgte auch im Rahmen des § 106 GewO iVm § 3 TVSP und aufgrund einer nicht zu beanstandenden Ermessensentscheidung der Beklagten.
Sie ist im Rahmen der arbeitsvertraglichen und kollektiv-rechtlichen Grenzen erfolgt. Nach § 3 Ziffer 2 Stufe 4 des TVSP kann eine arbeitgeberseitige Änderung der Stationierungsorte bei Stilllegung oder Einschränkung von Stationierungsorten innerhalb Deutschlands oder an einem anderen Stationierungsort in EU-Ländern einschließlich Großbritannien, Norwegen und Schweiz erfolgen.
Einer Änderungskündigung bedurfte es nicht.
Ob die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt wurden, kann nur durch Abwägung mit den dienstlichen Gründen des Arbeitgebers ermittelt werden, die zu der Ausübung des Direktionsrechts geführt haben.
Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der getroffenen Ermessensausübung liegt beim Arbeitgeber.
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Tarifvertrag eine Versetzung zulässt (vgl. BAG, Urteil vom 10.07.2013 – 10 AZR 915/12).