Das Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 02.06.2021 zum Aktenzeichen 11 U 31/21 entschieden, dass jemand der auf einer rutschigen Stufe einer Treppe ins Watt ausrutscht kein Schadensersatz vom Eigentümer der Treppe verlangen kann.
Das Landgericht hat die Haftung der Beklagten wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten nach § 823 Abs. 1 BGB verneint, weil es nicht feststellen konnte, dass die Beklagte für Treppenstufen im Bereich des Zugangs zum Watt unzureichend rutschhemmendes und deshalb ungeeignetes Material ausgewählt hat. Das Landgericht konnte damit schon keinen objektiven Pflichtenverstoß feststellen.
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, muss die Verkehrssicherungspflichtige nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen, sondern es kann Schutz nur vor solchen Gefahren verlangt werden, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen und vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind. Dass an Badestellen am Wattenmeer Treppen mit Betonstufen errichtet werden, ist üblich. Dies ist den Mitgliedern des Senats bekannt. Wegen ihrer Lage in der Gezeitenzone können diese Stufen üblicherweise durch Ablagerungen von Schwebstoffen schon innerhalb einer einzigen Tide rutschig werden. Aus diesem Grund sind diese Treppen im Regelfall während der Badesaison -wie auch hier- mit Handläufen versehen. Für die Nutzer der Badestellen ist offenkundig, dass mit typischen Gefahren des Meeresstrandes, also Sturzgefahr durch Schlick, Schafskot, Treibgut, Meerestiere, Wellen und Strömungen zu rechnen ist. Diesen Gefahren können die Nutzer eigenverantwortlich begegnen, indem sie die Treppen vorsichtig benutzen und sich am Handlauf festhalten. Über die Errichtung eines Handlaufs und die Verwendung geeigneten Betonmaterials hinaus sind deshalb keine zusätzlichen Sicherungen gegen das Ausrutschen angezeigt.
Dass das Betonmaterial der Stufen für deren Einsatzgebiet geeignet war, hat das Landgericht festgestellt, ohne dass an dieser Feststellung Zweifel bestehen. Das Landgericht hat ein Sachverständigengutachten zu der Eignung der Materialien für die Treppenanlage eingeholt. Es ist auf der Grundlage dieses Sachverständigengutachtens zum Ergebnis gekommen, dass für derartige Treppen keine öffentlich-rechtlichen Normen oder Regelwerke bestehen, die bestimmte rutschhemmende Werte vorschreiben. Die einschlägigen Unfallverhütungsregeln fänden lediglich Anwendung auf Arbeitsräume, Arbeitsbereiche und betriebliche Verkehrswege, ebenso wenig handele es sich um Nass- und Barfußbereiche in Bädern, Krankenhäusern oder Umkleide-, Wasch- und Duschwannen von Sport- und Arbeitsstätten. Aufgrund der vom Sachverständigen herangezogenen Messergebnisse der Prüfungen der Betonteile sei der Sachverständige zum Ergebnis gekommen, dass die Rutschfestigkeit des Bodenbelags auch zum Begehen unter Wasser ausreiche.
Der Einwand der Klägerin, dass die berufsgenossenschaftlichen Richtlinien sowie die Regelungen der Gemeindeunfallversicherung für Bodenbeläge doch anwendbar seien, trifft nach dem in diesem Punkt überzeugenden Sachverständigengutachten nicht zu. Der Sachverständige hat die betreffende Nachfrage der Klägerin in seinem Ergänzungsgutachten beantwortet. Auch für den Senat liegt es auf der Hand, dass Regelungen, die Bodenbeläge in Barfußbereichen in Bädern, Krankenhäusern oder Umkleide-, Wasch- und Duschräumen von Sport und Arbeitsstätten betreffen, nicht für außendeichs gelegene Treppenanlagen im Watt gelten, die dem dauerhaften Einfluss der Gezeiten, starkem Wellenschlag, Eisgang, Frost und Schlickablagerungen ausgesetzt sind.
Selbst wenn für die Betonstufen ungeeignetes Material verwendet worden wäre, fehlt nach dem übereinstimmenden Parteivorbringen für die deliktische Haftung der Beklagten auch eine weitere Voraussetzung: Die Beklagte hat nicht fahrlässig gehandelt. Denn sie hat die Planung der Anlage einer Fachplanerin übertragen. Sie konnte sich deshalb darauf verlassen, dass die technischen Regeln und Anforderungen an eine Badetreppe in der Gezeitenzone durch die Fachplanung und das bauausführende Unternehmen beachtet würden. Der soweit bestehende Anscheinsbeweis für die Verletzung der inneren Sorgfaltspflicht bei einem objektiven Pflichtenverstoß ist dadurch erschüttert. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Planung der Treppenanlage auch für die Beklagte erkennbar fehlerhaft gewesen wäre. Dies ist aber nicht ersichtlich. Vielmehr entspricht die Anlage nach ihrem Erscheinungsbild auf den Fotos im Sachverständigengutachten der dem Senat bekannten üblichen Gestaltung derartiger Badetreppen. Selbst der im vorliegenden Rechtsstreit beauftragte Sachverständige konnte keine fehlerhafte Ausführung erkennen. Anhaltspunkte für eine Fehlplanung oder fehlerhafte Ausführung hatte die Beklagte dann erst recht nicht.