Das Amtsgericht Hannover hat am 08.06.2021 zum Aktenzeichen 540 C 2255/21 die Mieterin einer Hochzeitslokalität in Hannover zur Zahlung von 922,25 Euro verurteilt.
Aus der Pressemitteilung des AG Hannover vom 01.07.2021 ergibt sich:
Hintergrund der Klage vor dem Amtsgericht Hannover sind die ausstehenden Mietzahlungen für Veranstaltungsräume, welche die Beklagte für eine Hochzeitsfeier gemietet hatte, bevor sie vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2-Pandemie die Kündigung des Mietvertrages erklärte.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts mietete die Beklagte im Frühjahr 2019 von der Klägerin für eine beabsichtigte Hochzeitsfeier mit einer mitgeteilten Personenzahl von 100 Gästen vom 26.09.2020 bis zum 27.09.2020 die Veranstaltungs- und Cateringräume der Klägerin in Hannover einschließlich einer dazugehörigen Terrasse. Die Beklagte verpflichtete sich, für die Überlassung der Räume an diese eine Miete in Höhe von 2.450 Euro netto und hierzu eine Anzahlung in Höhe von 450 Euro netto zu zahlen. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist ein Rücktritt vom Mietvertrag gegen Zahlung einer nach dem Erklärungszeitpunkt gestaffelten Ausfallmiete möglich.
Im März 2020 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2-Pandemie den Rücktritt von dem Vertrag. Diese begehrt im Hinblick darauf von der Beklagten die Zahlung einer Ausfallmiete von 50 % der vertraglich vereinbarten Miete, unter Berücksichtigung der geleisteten Anzahlung von 535,50 Euro brutto die Zahlung weitere 922,25 Euro. Aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften war in dem von den Parteien vereinbarten Mietzeitraum die Durchführung einer Veranstaltung lediglich mit maximal 50 teilnehmenden Personen gestattet bei insoweit ferner einzuhaltenden Abstands- und Hygieneregeln.
Nach Auffassung der Klägerin habe diese die Veranstaltungsräume im vereinbarten Zeitraum ungeachtet der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften überlassen können, da sie sich mietvertraglich lediglich zur Verschaffung der Gebrauchsmöglichkeit verpflichtet habe, die uneingeschränkt vorhanden gewesen sei. Insbesondere sei unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Hochzeitsfeier mit 50 Personen realisierbar gewesen, gegebenenfalls unter Einbeziehung der mitvermieteten Terrasse.
Die Beklagte ist hingegen der Meinung, dass aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie und der in deren Folge erlassenen öffentlich-rechtlichen Vorgaben, insbesondere hinsichtlich der Zahl der erlaubten Teilnehmer und des zwischen den Teilnehmern einzuhaltenden Sicherheitsabstandes, die mit insgesamt 100 Gästen geplante Hochzeit in den Räumlichkeiten der Klägerin nicht durchführbar bzw. die Leistung der Klägerin objektiv unmöglich gewesen sei. Auch bei einer angenommenen Teilnehmerzahl von lediglich 50 Personen seien die Räumlichkeiten der Klägerin für die Hochzeitsfeier nicht geeignet. Bereits im Zeitpunkt der Kündigung des Vertrages, welche ihr schwergefallen, jedoch unter Berücksichtigung der Zahl ihrer zum Teil betagten und aus dem europäischen Ausland anreisenden Gäste aus gesundheitlichen Gründen geboten gewesen sei, sei absehbar gewesen, dass sich die Pandemie im Laufe der Monate nicht abschwächen und eine gefahrlose Durchführung der Hochzeit erlauben würde.
Den Entscheidungsgründen nach war der Klägerin im Mietzeitraum die Überlassung der Mietsache an die Beklagte ungeachtet geltender Kontakt- und Veranstaltungsbeschränkungen nicht unmöglich. Die mit der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der im Mietzeitraum gültigen Fassung in Kraft getretene, von der Klägerin nicht zu beeinflussende Regelung über die Beschränkung der Teilnehmerzahl an Veranstaltungen auf nicht mehr als 50 Personen (§ 1 Abs. 5 Nds. Corona-VO) bezieht sich nicht auf die in Rede stehende Mietsache, sondern generell auf die Zusammenkunft von Personen, u.a. in außerhalb der eigenen Wohnung zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten. Sie knüpft damit nicht an der Beschaffenheit der Mietsache an und betrifft nicht ihre Benutzbarkeit. Der Zugang zu den streitgegenständlichen Räumlichkeiten blieb der Beklagten ebenso unbenommen wie ihre Ingebrauchnahme einschließlich der zugehörigen Einrichtungen, deren Verwendbarkeit für den vereinbarten Zweck mithin nicht betroffen war.
Die vor dem Hintergrund der Pandemie getroffene gesetzliche Beschränkung der maximalen Größe von Zusammenkünften bzw. Veranstaltungen, die sich lediglich indirekt auf den Gebrauch der Mietsache auswirkt, betrifft mithin das von dem Mieter zu tragende Verwendungsrisiko.
Ebenso wenig ist eine Störung der Geschäftsgrundlage dergestalt eingetreten, dass die Beklagte von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Miete vollständig befreit wäre. Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. In dem zu entscheidenden Fall hat das Gericht letztlich dahinstehen lassen, ob sich die Geschäftsgrundlage nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenngleich dieses angesichts der alle Bereiche des sozialen und wirtschaftlichen Lebens beeinflussenden SARS-CoV-2-Pandemie anzunehmen sein dürfte. Denn eine Störung der Geschäftsgrundlage im vorgenannten Sinne ließe eine Vertragsanpassung dergestalt, dass die Beklagte nunmehr von jeder Leistungspflicht befreit wäre, für die Klägerin unzumutbar und objektiv unangemessen erscheinen. Vielmehr erscheint allenfalls eine hälftige Teilung des sich mit der Pandemie realisierten Risikos und damit eine hälftige Teilung der Miete angemessen. Denn keine der Parteien hat die Pandemie mit den mit ihr einhergegangenen sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen vorhersehen können und ihre erheblichen Folgen sind für beide Parteien nicht zu beeinflussen. So hat die Klägerin – als Vermieterin eines Veranstaltungsraumes – pandemiebedingt aufgrund geltender Kontaktbeschränkungen die erheblichen wirtschaftlichen Folgen ausbleibender Veranstaltungen bzw. von Veranstaltungsabsagen unvermeidbar zu tragen; die Beklagte hat ihrerseits bei Durchführung der Hochzeitsfeier eine Verringerung ihrer Gästezahl und Anpassung an die räumlichen Gegebenheiten der Klägerin, die Beachtung von Abstands- und Hygieneregeln sowie das Risiko einer kurzfristigen Veranstaltungsabsage im Fall einer sich etwaig verschärfenden Pandemie hinzunehmen. Diese Belastungen sind nach Auffassung des Gerichts jedenfalls gleichermaßen auf beide Parteien zu verteilen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig und kann mit der Berufung angefochten werden.