Abgelehnte Richter können nicht selbst über Ablehnungsgesuch entscheiden

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05. Mai 2021 zum Aktenzeichen 1 BvR 526/19 ergibt sich, dass ein verstoß gegen den gesetzlichen Richter vorliegt, wenn abgelehnte Richter über das Ablehnungsgesuch selbst entscheiden

Die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig durch die abgelehnten Richter selbst beruht auf grob fehlerhaften Erwägungen und zeigt, dass das Landgericht den Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt hat.

Soweit das Gericht davon ausgeht, dass es unter Beteiligung der abgelehnten Richter entscheiden konnte, weil sich das Ablehnungsgesuch gegen alle Richter der Kammer richtete, verkennt es die für einen solchen Fall geltenden Maßstäbe. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass ein Ablehnungsgesuch, welches sich pauschal gegen einen gesamten Spruchkörper oder sogar gegen sämtliche Richterinnen und Richter eines Gerichts richtet, in der Regel eindeutig unzulässig ist. Eine Ausnahme von der demnach grundsätzlich anzunehmenden Unzulässigkeit einer solchen Pauschalablehnung gilt indes dann, wenn die Ablehnung namentlich nicht genannter, gleichwohl aber ohne Weiteres bestimmbarer Richter eines gesamten Gerichts nicht allein mit deren Zugehörigkeit zu diesem Gericht als solcher begründet, sondern in Bezug auf alle abgelehnten Richterinnen und Richter ein darüber hinausgehender Umstand geltend gemacht wird, aus dem sich die Befangenheit ergeben soll und die abgelehnten Richterinnen und Richtern durch diesen identischen Ablehnungsgrund zweifelsfrei bestimmbar. Dieser Ausnahmefall kann insbesondere dann gegeben sein, wenn alle Mitglieder eines Spruchkörpers wegen Besorgnis der Befangenheit in Hinblick auf konkrete Anhaltspunkte in einer Kollegialentscheidung abgelehnt werden.

So liegt es hier. Eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO kann nur durch einstimmigen Beschluss erfolgen. Da das Gericht eine solche Zurückweisung angekündigt hatte, konnte und musste die Beschwerdeführerin davon ausgehen, dass auch der Hinweisbeschluss, auf den das Ablehnungsgesuch maßgeblich Bezug nahm, einstimmig ergangen war. Jedenfalls aber war ihr wegen des Beratungsgeheimnisses nicht bekannt, welche Richter die Entscheidung mitgetragen hatten, so dass der geltend gemachte Befangenheitsgrund alle der Kammer angehörenden Richter und Richterinnen jeweils individuell betraf. Eine unzulässige Ablehnung des Spruchkörpers als solchen war daher gerade nicht gegeben. Dies war für das Gericht auch ohne Weiteres aus der Begründung des Ablehnungsgesuchs erkennbar.

Auch soweit das Gericht von einer offensichtlichen Unzulässigkeit ausgeht, weil die Begründung des Ablehnungsgesuchs zu seiner Rechtfertigung völlig ungeeignet sei und das Vorbringen auf offensichtlich unzutreffendem Sachverhalt beruhe, verkennt es die Voraussetzungen für eine Entscheidung unter Mitwirkung der abgelehnten Richterinnen und Richter. Denn das Landgericht geht deutlich über eine ihm allein zustehende Formalprüfung hinaus. Es setzt sich vielmehr unter Heranziehung des Akteninhalts umfassend inhaltlich mit den Vorwürfen aus dem Ablehnungsgesuch auseinander. Dabei greift es sowohl auf den Inhalt der erstinstanzlichen Klageerwiderung als auch auf seinen eigenen Hinweisbeschluss zurück. Indem es zudem Erwägungen dazu anstellt, welcher Sachverhalt richtig sei, nämlich, dass es auch abweichende Rechtsprechung erwogen habe, prüft es deutlich erkennbar auch die Frage der Begründetheit. Das Landgericht gibt damit konkludent zu verstehen, dass es die zur Ablehnung vorgebrachten Gründe für schlüssig dargelegt, indes nicht für tatsächlich bestehend erachtet. Der Fall einer nach Auffassung des Gerichts offensichtlichen Unbegründetheit des Ablehnungsgesuchs ist von der restriktiv zu handhabenden Ausnahme von § 45 Abs. 1 ZPO aber gerade nicht erfasst.

Ferner beurteilt das Gericht in unzulässiger Weise sein eigenes Verhalten, wenn es feststellt, es habe entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin eine ausreichend lang bemessene Frist zur Stellungnahme gesetzt. Auch hiermit geht es über eine bloße Formalprüfung ohne jeglichen Bezug zum Verfahren hinaus. Dem Gericht ist bei der Setzung einer Frist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO hinsichtlich deren Länge Ermessen eingeräumt, dessen Ausübung – und damit das „Wie“ des Tätigwerdens – die Beschwerdeführerin gerade beanstandet hatte. Das Ablehnungsgesuch war hingegen nicht auf das „Ob“ einer Prozesshandlung gestützt, die in der Prozessordnung im Einzelnen vorgegeben ist und daher grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen kann.

Das Landgericht hat somit unter Verkennung des Gewährleistungsgehalts von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unter Beteiligung der abgelehnten Richter über das Befangenheitsgesuch entschieden. Es hat sich damit zum Richter in eigener Sache gemacht und der Beschwerdeführerin so den gesetzlichen Richter entzogen.