Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat am 25.06.2021 zum Aktenzeichen 4 U 19/19 die Klageabweisung im Streit über mögliche Nebenwirkungen der Pille „Yasminelle“ bestätigt.
Aus der Pressemitteilung des OLG Karlsruhe Nr. 11/2021 vom 25.06.2021 ergibt sich:
Die Klägerin klagt gegen die Bayer Vital GmbH auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, weil sie im Sommer 2009 eine beidseitige Lungenembolie mit Herzstillstand erlitt und dies auf die Einnahme des von der Beklagten in Verkehr gebrachten Verhütungsmittels Yasminelle mit dem Wirkstoff Drospirenon zurückführt.
Das Landgericht Waldshut-Tiengen hatte mit Urteil vom 20. Dezember 2018 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass die von ihr erlittenen schweren gesundheitlichen Schäden durch die Einnahme des Medikaments verursacht worden seien. Hiergegen richtete sich die Berufung der Klägerin, mit der sie weiterhin eine Verurteilung der Bayer Vital GmbH zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld erreichen will.
Der 4. Zivilsenat des OLG Karlsruhe hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Klage scheitert, weil der Klägerin auch in zweiter Instanz nicht der Nachweis gelungen ist, dass die Einnahme von Yasminelle eine (Mit-)Ursache für die von ihr erlittene Thromboembolie war.
Nach umfassender Anhörung des bereits erstinstanzlich angehörten medizinischen Sachverständigen hat der Senat berücksichtigt, dass 40 % aller Thrombosen idiopathisch, d. h. ohne derzeit erkennbare Ursache auftreten. Es lässt sich daher nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen, dass die Klägerin keine Thromboembolie erlitten hätte, wenn man die Einnahme des Verhütungsmittels hinwegdenkt.
Zu Gunsten der Klägerin kommt auch keine gesetzliche Ursächlichkeitsvermutung (§ 84 Abs. 2 Satz 1 AMG) zur Anwendung. Yasminelle ist zwar geeignet, eine venöse Thromboembolie auszulösen. Im Fall der Klägerin waren im Jahr 2009 aber auch andere Umstände nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AMG). Das sind in erster Linie die von der Klägerin im März 2009 unternommenen Langstreckenflüge, die geeignet waren, eine Reisethrombose auszulösen. Bei der Reisethrombose handelt es sich um ein medizinisch international anerkanntes Krankheitsbild. Erste Thrombosesymptome sind bei der Klägerin drei Wochen nach den Flügen aufgetreten, was nach den Darstellungen des angehörten Sachverständigen vom Zeitablauf „klassisch“ für eine Reisethrombose ist. Zwar kann nicht festgestellt werden, wo im Körper sich die Thrombose zuerst gebildet hatte. Nach Einschätzung des Sachverständigen sind aber letztlich alle denkbaren Entstehungsorte mit einer Reisethrombose vereinbar. Der Senat ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass die Langstreckenflüge für sich genommen als alleinige (Alternativ-)Ursache für die von der Klägerin erlittene Thromboembolie konkret in Betracht kommen. Dies gilt umso mehr, als bei der Klägerin eine angeborene Venenanomalie vorliegt, die einen weiteren zumindest unselbständigen Risiko(erhöhungs)faktor darstellt. Diese Anomalie war zwar nicht für sich allein genommen, wohl aber im Zusammenwirken mit den Langstreckenflügen konkret geeignet, die Thromboembolie zu verursachen.
Da die Klage bereits aus diesem Grund abzuweisen war, musste der Senat nicht aufklären, ob die weiteren Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 84 AMG vorliegen. Die Frage, ob das mit der Einnahme verbundene Thromboserisiko über das nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbare Maß hinausgeht oder der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist, ist daher nicht Gegenstand der Entscheidung.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils möglich.