Wahlprüfungsklage gegen Direktwahl des Landrats des Landkreises Hameln-Pyrmont erfolglos

Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 24.06.2021 zum Aktenzeichen 1 A 5987/20 die gegen die Direktwahl des Landrats des Landkreises Hameln-Pyrmont gerichtete Wahlprüfungsklage eines wahlberechtigten Bürgers abgewiesen.

Aus der Pressemitteilung des VG Hannover vom 24.06.2021 ergibt sich:

Bei dem ersten Wahlgang zur Wahl des Landrats am 08.03.2020 erzielte keiner der vier angetretenen Kandidaten die erforderliche Mehrheit von mehr als der Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen, so dass eine Stichwahl zwischen Dirk Adomat (SPD) und Torsten Schulte (Grüne) erforderlich wurde. Die Stichwahl war ursprünglich für den 22.03.2020 angesetzt. Am 16.03.2020 kam es zum ersten „Corona-Lockdown“. Am gleichen Tag wurde entschieden, die Stichwahl auf den 05.04.2020 zu verschieben und sie ausschließlich als Briefwahl abzuhalten. Bei der Stichwahl erzielte bei einer gegenüber dem ersten Wahlgang um 5,22 Prozentpunkte auf 45,73 % gestiegenen Wahlbeteiligung Dirk Adomat 51,14 % (28.254 Stimmen) und Torsten Schulte 48,86 % (26.992 Stimmen) der insgesamt 55.246 abgegebenen gültigen Stimmen.

Nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses erhob der Kläger Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl. Die Wahl sei insbesondere infolge der Anordnung einer ausschließlichen Briefwahl nicht entsprechend den Vorschriften des Wahlrechts vorbereitet und durchgeführt worden. Analphabeten und Spontanwähler würden durch eine reine Briefwahl eingeschränkt. Das Infektionsschutzgesetz stelle keine taugliche Rechtsgrundlage für die erfolgten Einschränkungen des Wahlrechts dar. Der beklagte Kreistag beschloss in seiner Sitzung vom 29.09.2020, den Wahleinspruch zurückzuweisen. Der Einspruch sei zwar zulässig und begründet, der Rechtsverstoß habe das Wahlergebnis aber jedenfalls nicht oder nur unwesentlich beeinflusst. Wenn die Stichwahl allein deswegen, weil sie als reine Briefwahl durchgeführt worden sei, an einem Wahlfehler litte, hätte sich dieser Wahlfehler auf alle Wahlberechtigten ausgewirkt, sodass davon auszugehen sei, dass der Wahlfehler nicht zu einer „Verfälschung des Wählerwillens“ geführt hätte.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist die Frage, ob die aufgrund des ersten Corona-Lockdowns durchgeführte ausschließliche Briefwahl einen Wahlfehler im Sinne des § 46 Abs. 1 Niedersächsisches Kommunalwahlgesetz (NKWG) zur Folge hatte, umfangreich erörtert worden. Ob das damals geltende Wahlrecht, welches zum Zeitpunkt der Wahl die Möglichkeit einer ausschließlichen Briefwahl noch nicht ausdrücklich vorsah, aus Gründen des Infektionsschutzes bzw. des Infektionsschutzrechts modifizierbar war, hat die Kammer allerdings nicht abschließend bewerten müssen. Ein angenommener Wahlfehler hat nämlich das Wahlergebnis jedenfalls nicht wesentlich im Sinne von § 48 Abs. 1 Nr. 2 NKWG beeinflusst.

Für die Annahme einer wesentlichen Beeinflussung des Wahlergebnisses reicht eine theoretisch-abstrakte Möglichkeit nicht aus. Vielmehr bedarf es einer konkreten, nach der Lebenserfahrung begründeten Wahrscheinlichkeit, dass Wahlfehler zu einer Verfälschung des Wählerwillens geführt haben. Das hat die Kammer nicht festzustellen vermocht. Der unterstellte Wahlfehler einer reinen Briefwahl hat sich auf alle Wahlberechtigten gleichermaßen ausgewirkt. Eine wie auch immer messbare Bevor- oder Benachteiligung eines Stichwahlkandidaten ist nicht feststellbar. Gegen die vom Kläger angeführte Einschränkung der Wählergruppen der Analphabeten und Spontanwähler spricht bereits die in der Stichwahl gegenüber dem ersten Wahlgang deutlich, nämlich um 5,22 Prozentpunkte, gestiegene Wahlbeteiligung. Ein Wegfall bestimmter Wählergruppen hätte sich naheliegender Weise in einem Absinken der Wahlbeteiligung und nicht in einem Anstieg bemerkbar gemacht. Im Übrigen bestehen auch keinerlei tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass die Stimmen der genannten Wählergruppen – wären sie denn aufgrund des Modus einer reinen Briefwahl weggefallen – gerade dem unterlegenen Stichwahlkandidaten zugutegekommen wären. Für ein solches bestimmtes Wählerverhalten der angesprochenen Wählergruppen ist nichts ersichtlich. Nichts anderes gilt für den vom Kläger ebenfalls geltend gemachten – im Vergleich zur letzten im Landkreis Hameln-Pyrmont durchgeführten Stichwahl – gestiegenen Anteil ungültiger Stimmen, da auch hier in keiner Weise ersichtlich ist, dass diese Stimmen einseitig lediglich einem Kandidaten zugutegekommen wären. Dirk Adomat lag auch im ersten Wahlgang bereits „vorne“ und hatte sowohl bei Urnen- als auch bei Briefwählern die meisten Wählerstimmen erhalten. Diese Tendenz hat sich mit dem Stichwahlergebnis letztendlich lediglich fortgesetzt, was ebenfalls gegen die Annahme einer Verfälschung des Wählerwillens spricht.

Gegen das Urteil ist ein Antrag auf Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht möglich.