Das Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald hat am 17.06.2021 zum Aktenzeichen LVerfG 9/19 die kommunale Verfassungsbeschwerde einer kreisangehörigen Stadt gegen die Regelungen zum finanziellen Ausgleich für die Abschaffung der Straßenbaubeiträge zurückgewiesen.
Aus der Pressemitteilung des VerfG MV vom 17.06.2021 ergibt sich:
Im Juni 2019 hat der Landesgesetzgeber die Straßenbaubeiträge für Anlieger abgeschafft und zugleich bestimmt, dass das Land den Gemeinden für die in 2018 und 2019 begonnenen Straßenbaumaßnahmen die weggefallenen Einnahmen in der Höhe ersetzt, in der sie Straßenbaubeiträge hätten festsetzen können. Mit Gesetz vom 9. April 2020 wurde die Kompensation für den Wegfall der Straßenbaubeiträge für Baumaßnahmen ab dem 1. Januar 2020 geregelt. Danach erfolgt ab dem Jahr 2020 jährlich eine pauschale Mittelzuweisung an die Gemeinden. Der insgesamt an die Gemeinden zu verteilende Betrag beläuft sich bis 2024 auf jährlich 25 Mio. EUR und ab 2025 auf jährlich 30 Mio. EUR. Der Gesamtbetrag wird auf die Gemeinden nach dem Verhältnis der von ihnen zu unterhaltenden Straßen und Wege (Straßenlänge, Art der Straße) verteilt. Die Jahrespauschale zahlt das Land den Gemeinden jeweils zum 30. Juni eines Jahres aus und kann über mehrere Haushaltsjahre angespart werden.
Die Stadt Grevesmühlen macht mit ihrer Verfassungsbeschwerde in erster Linie eine Verletzung des Konnexitätsprinzips nach Art. 72 Abs. 3 Landesverfassung M-V (LV) geltend. Danach können die Gemeinden und Kreise durch Gesetz zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden, wenn dabei gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden.
Führt die Erfüllung dieser Aufgaben zur einer Mehrbelastung der Gemeinden und Kreise, so ist dafür ein entsprechender Ausgleich zu schaffen.
Das Landesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 17.06.2021 (LVerfG 9/19) festgestellt, dass die kommunale Verfassungsbeschwerde unzulässig ist, soweit sie die Ausgleichsreglungen für die Jahre 2018 und 2019 betrifft. Die Beschwerdeführerin konnte nicht darlegen, dass ihr für diesen Zeitraum eine Mehrbelastung verbleibt, die durch das Land nicht ausgeglichen wird. Denn für diese Jahre ersetzt das Land konkret die Ausfälle, die die jeweilige Gemeinde aufgrund ihrer Satzung als Straßenbaubeiträge gegenüber den Anliegern hätte festsetzen können. Hinsichtlich der Regelung ab 01.01.2020 ist die kommunale Verfassungsbeschwerde unbegründet. Eine Verletzung des in Art. 72 Abs. 3 Landesverfassung enthaltenen strikten Konnexitätsprinzips wurde durch das Gericht nicht festgestellt. Der Ausgleich für die Abschaffung der Straßenbaubeiträge konnte durch eine pauschale Reglung getroffen werden, da der Bestimmung der Pauschale eine tragfähige Prognose zu Grunde liegt. Diese beruhte vor allem auf den Gesamteinnahmen der Kommunen durch Straßenbaubeiträge in der Vergangenheit. Da lediglich die Finanzierung einer bisher schon vorhandenen und unveränderten Aufgabe geändert wurde, konnte der Landesgesetzgeber bei der anzustellenden Prognose über künftige Mehrbelastungen grundsätzlich auf Daten aus der Vergangenheit und deren Durchschnittswert zurückgreifen. Zudem hat der Gesetzgeber diesen Wert nicht statisch übernommen, sondern einen deutlich darüber liegenden Gesamtbetrag für den pauschalen Ausgleich der Mehrbelastungen festgesetzt, der z.B. auch Kostensteigerungen abdecken kann.
Die Verteilung des Gesamtbetrages an die einzelnen Gemeinden verstößt ebenfalls nicht gegen Verfassungsrecht. Sie erfolgt willkürfrei und im Rahmen sachlich vertretbarer Differenzierung.