Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 20. Mai 2021 zum Aktenzeichen 2 BvR 2595/16 einen Fall entschieden, bei dem sich die Beschwerdeführer gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtswenden, mit dem dieses ihre Revisionen unter Verweis auf die Bindung an einen früheren Beschluss des Bundesverfassungsgerichts als unbegründet zurückgewiesen hat. Das Bundesverfassungsgericht hatte ein erstes Revisionsurteil des Bundesverwaltungsgerichts zuvor aufgehoben.
Bei ihrer Entscheidung sind die Fachgerichte jeweils an die verfassungsrechtliche Beurteilung des Bundesverfassungsgerichts gebunden; das frühere, vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte und nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehobene Judikat des Fachgerichts kann deshalb in der von diesem neu zu treffenden Entscheidung nicht für verfassungsmäßig erklärt werden.
Mit diesen Ausführungen unvereinbar und unzutreffend ist jedoch die weitere Annahme des Bundesverwaltungsgerichts in dem hier angegriffenen Urteil, die Bindung an den Tenor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestehe unabhängig von dem Inhalt der ihn tragenden Gründe. Dieser Auffassung liegt ein grundlegendes Missverständnis des Beschlusses der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juni 2006 (- 2 BvR 537/05 -, BVerfGK 8, 211) zugrunde. Die Bindungswirkung der Entscheidung des Verfassungsgerichts hindert das Gericht, an das eine Sache gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG zurückverwiesen worden ist, nicht von vornherein daran, mit anderer – verfassungsrechtlich tragfähiger – Begründung zu demselben Ergebnis zu kommen wie in seiner zuvor aufgehobenen Entscheidung. Es darf dabei zwar das Vorliegen des festgestellten Verfassungsverstoßes und die der Feststellung zugrundeliegenden Wertungen nicht mehr in Frage stellen. Das Fachgericht ist jedoch frei, aus anderen als den nach § 31 Abs. 1, § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG bindend entschiedenen verfassungsrechtlichen Gründen gleichwohl zum selben Ergebnis zu kommen. Es darf lediglich nicht – auch nicht mit anderer Begründung – die Entscheidung einer Vorinstanz, die das Bundesverfassungsgericht bereits für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben hat, in dem neuen Rechtszug für (fortbestehend und) verfassungsgemäß erklären. Nur mit dieser Fallgestaltung befasst sich der Kammerbeschluss vom 14. Juni 2006, die hier jedoch nicht vorlag, weil die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung waren.
Es wäre deshalb Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts gewesen, etwaigen von den Beschwerdeführern in revisionsrechtlich zulässiger Weise erhobenen Einwänden gegen die Feststellung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, es gebe nur eine jüdische Ortsgemeinde in Frankfurt am Main, weiter nachzugehen, soweit es diese Einwände nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Beurteilung durch das Bundesverfassungsgericht im zweiten Revisionsrechtszug nunmehr für erheblich hielt. Auf überörtliche Zusammenschlüsse kam es allerdings nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von vornherein nicht an. Ebenso hätte das Bundesverwaltungsgericht etwaige Einwände der Beschwerdeführer gegen die Wirksamkeit von § 3 der Satzung und die zur Handhabung dieser Bestimmung durch die jüdische Gemeinde vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen Feststellungen prüfen können.
Dass es darauf nicht näher eingegangen ist, sondern sich an einer eigenen Prüfung durch die Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts gehindert gesehen hat, stellt jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG dar. Das Bundesverwaltungsgericht hat etwaiges nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts revisionsrechtlich relevantes Vorbringen der Beschwerdeführer nicht übergangen, sondern dessen Berücksichtigung aus rechtlichen Gründen für ausgeschlossen gehalten.