Das Oberlandesgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 12.04.2021 zum Aktenzeichen 4 W 108/21 entschieden, dass ein Rechtsanwalt, der einen Blog betreibt, kein Journalist ist.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen den Rechtsanwalt auf Veröffentlichung der begehrten Gegendarstellung gemäß § 20 Abs. 1, 3 Medienstaatsvertrag (MStV, entspricht § 56 RStV), weil kein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot i. S. d. § 20 Abs. 1 MStV durch den Rechtsanwalt vorliegt.
Welche Angebote als journalistisch-redaktionell anzusehen sind, ist im Medienstaatsvertrag nicht definiert und die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein Angebot i. S. d. § 20 MStV „journalistisch-redaktionell“ gestaltet ist, ist bisher nicht in jeder Hinsicht abschließend geklärt. Insbesondere gilt dies betreffend die Abgrenzungsschwierigkeiten gerade in Fallkonstellationen, in denen Angebote nicht von klassischen Redaktionen mit speziell ausgebildeten Journalisten nach tradierten Berufsregeln erstellt werden. Dieser Umstand steht indessen einer Versagung der Prozesskostenhilfe nicht etwa deshalb entgegen, weil sich einer Klärung im Hauptsachverfahren vorbehaltene Rechtsfragen stellen würden.
Denn eine kumulativ zur redaktionellen Gestaltung erforderliche journalistische Gestaltung setzt jedenfalls voraus, dass die Auswahl und Strukturierung der Inhalte gewissen Kriterien genügt, zu denen zumindest auch eine erkennbar publizistische Zielsetzung des Angebots gehört. Daran fehlt es hier. Dafür ist nämlich erforderlich, dass die Informationen – für den Nutzer erkennbar – nach ihrer gesellschaftlichen Relevanz und mit dem Ziel des Anbieters, zur öffentlichen Kommunikation beizutragen, ausgewählt werden. Nicht alle redaktionell gestalteten Angebote gehören daher auch zum Online-Journalismus. Es muss die Absicht einer Berichterstattung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gegeben sein, denn nur die Tätigkeiten, die der Erfüllung der Aufgaben einer funktional verstandenen Presse bzw. des Rundfunks dienen, werden vom Medienprivileg erfasst.
Davon ausgehend wird unter anderem kommerzielle Kommunikation grundsätzlich nicht als journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot angesehen, da sie nicht an Kriterien gesellschaftlicher Relevanz ausgerichtet ist, sondern an den verfolgten wirtschaftlichen Interessen.
Vorliegend fehlt es erkennbar an der erforderlichen publizistischen Zielsetzung sowohl der Homepage des Rechtsanwalts selbst, als auch des Blogs, über den der beanstandete Artikel aufgerufen werden kann, als auch des Artikels selbst. Zu weit geht es jedenfalls, in die Betrachtung, ob ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot vorliegt, andere Websites und Internetplattformen, auf denen der Rechtsanwalt Veröffentlichungen vornehmen mag, einzubeziehen.
Auf seiner Homepage gibt der Rechtsanwalt als Tätigkeitsfelder seiner Kanzlei die Rechtsbereiche Abmahnung, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht, Arbeitsrecht, Rufschädigung und IT-Recht an und stellt sich und seine Kanzlei vor.
Unter „Kanzlei“ Unterpunkt „Presse und Veröffentlichungen“ sind Links zu diversen Artikeln gesetzt, die teils von in der Kanzlei tätigen Rechtsanwälten an anderer Stelle veröffentlicht wurden oder in denen die Kanzlei von Drittautoren erwähnt wird. Weiter sind Videobeiträge der Kanzlei unter „Lieblingskollegen“ zu den Laien allgemein interessierenden arbeitsrechtlichen Themen verlinkt. All dies soll erkennbar die Rührigkeit und Bekanntheit der Kanzlei insbesondere in ihren Fachgebieten aufzeigen, ihre Kompetenz unterstreichen, die Anwälte persönlich in Aktion präsentieren und das Interesse des Lesers als potentiellem Kunden wecken. Als Beitrag zur öffentlichen Kommunikation können die Verlinkungen nicht gewertet werden.
Die über den Blog aufrufbaren (Video)Beiträge sind nicht als (Fach)journalismus zu bewerten, sondern dienen ebenfalls sämtlich der kommerziellen Kommunikation i. S. d. § 2 Nr. 5 TMG, insbesondere auch durch Selbstdarstellung des Rechtsanwalts, „Anberatung“ potentieller Mandanten, Darstellung von betreuten Fällen und erzielten Erfolgen sowie allgemeinen Informationen rund um die tätigkeitsbezogenen Themen, in denen sich potentielle Mandanten wiederfinden könnten, um zur Geltendmachung ihrer Rechte auf die Kanzlei zuzukommen. Soweit allgemein gehalten informiert wird, ist ersichtlicher Zweck, potentiellen Kunden die Kompetenz der Kanzlei auf ihrem Fachgebiet und die ausführliche und ihren Interessen zugewandte Betreuung eines Falles zu demonstrieren und sie zur Kontaktaufnahme zu bewegen. Die Vielzahl an in den Blog eingestellten Beiträgen macht ihn noch nicht zu einem journalistisch-redaktionell gestalteten Angebot. Vielmehr erklärt sie sich zwanglos damit, dass sich bei einer Anwaltskanzlei mit Tätigkeitsschwerpunkten wie denen des Rechtsanwalts ein IT-affines Marketing aufdrängt und gleichgelagerte Massen- oder Serienverfahren regelmäßig einen nicht unbedeutenden Anteil ihrer Geschäftstätigkeit ausmachen. Die im Blog betriebene, werbende Darstellung konkreter Fallkonstellationen, aus denen die Kanzlei sich weitere Einkünfte erwartet, liegt daher nahe.
In dem vom Antragsteller beanstandeten Artikel berichtet der Rechtsanwalt – zu seinem Tätigkeitsfeld passend und im Einklang mit der vorbeschriebenen Linie – über diverse Rechtsverletzungen durch den Antragsteller auf seinem YouTube-Kanal, vorrangig durch die Verletzung fremder Marken und Inhalte und stellt ihn als gewinnerzielungsorientierten Wettbewerber dar, der sich nicht auf journalistische Freiheitsrechte berufen könne. Die Frage, ob und inwieweit die Inhalte rechtlich und tatsächlich zutreffen, sowie der Umstand, dass Stil, Hauptüberschrift und Einleitung eher dazu dienen, die Aufmerksamkeit des Lesers zu erregen und sein Interesse am Weiterlesen zu fördern, sind für die Frage, ob es sich um ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot handelt, irrelevant. Maßgebend ist allein, dass der Artikel nach Standort und Inhalt von einer ersichtlich kommerziellen Zielsetzung des Rechtsanwalts geprägt ist, nämlich der Mandantenwerbung aus einem vom Antragsteller potentiell geschädigten Personenkreis.
Der Sachverhalt ist nicht dem vergleichbar, der der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen, Urteil vom 14. Januar 2011 – 2 U 115/10 -, juris, zugrunde lag. Dort gab der Anwalt unter einer Rubrik „Medien“ laufend Pressemitteilungen heraus, unterhielt ein „Pressearchiv“ und betrieb – auch nach der Selbstdarstellung – aktive „Medienarbeit“ mit dem erklärten Ziel der Aufklärung von Anlegern und dem Kampf gegen den verbreiteten Lobbyismus von Banken und Finanzdienstleistern. Das geht über ein Kanzleimarketing hinaus.