Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Beschluss vom 18.05.2021 zum Aktenzeichen 9 W 14/21 entschieden, dass wenn sich der konkrete Einsatz eines Traktors darin beschränkt, dass dessen Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand und der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Traktors als Kraftfahrzeug mitgeprägt wurde, eine Haftung aus Betrieb gem. § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) ausscheidet.
Aus der Pressemitteilung des OLG Hamm vom 02.06.2021 ergibt sich:
Der in Anspruch genommene Landwirt aus Beckum betreibt einen Hof nebst forstwirtschaftlich genutzter Fläche. Er bat den in der direkten Nachbarschaft wohnenden Antragsteller im April 2019, mehrere trockene Tannen auf seinem Grundstück zu fällen. Dabei legte der Landwirt eine Kette um einen Baum und befestigte diese an einer an seinem Traktor befindlichen Stange, um den Baum zu sichern und den gefällten Baum im Anschluss daran abzutransportieren. Der Traktor, der bei der ebenfalls in Anspruch genommenen Versicherung krafthaftpflichtversichert ist, war auf der an das Grundstück des Landwirts angrenzenden öffentlichen Straße abgestellt, die dieser vor Durchführung der Arbeiten absperren ließ. Der Landwirt wies den Antragsteller an, den Baum möglichst weit unten am Boden abzusägen. Der Baum landete anschließend unmittelbar neben dem Führerhaus des Traktors bis zur gegenüberliegenden Straßenseite, so dass der Landwirt nicht aussteigen konnte. Der Baum, der zu lang war, um ihn mit dem Traktor abzutransportieren, hatte sich zudem mit dem Stammende an einem Zaun und auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit seiner Krone an einem Busch verkeilt. Versuche des Landwirts, den Baum mit dem Traktor wegzuziehen bzw. wegzudrücken, blieben erfolglos. Er wies deshalb den Antragsteller an, die Tanne an der Spitze abzusägen, um den Stamm aus der Verkeilung zu lösen. Nachdem der Antragsteller zu sägen begann, brach der trockene Stamm, dessen Spannung durch die vorangegangenen Rangierversuche des Landwirts erhöht war, und stieß den Antragsteller zu Boden. Er stürzte hierbei rückwärts auf einen Ast und wurde zwischen diesem und dem Stamm eingequetscht, wodurch er sich schwerwiegende Verletzungen, insbesondere im Brustwirbelbereich, zuzog. Der Antragsteller forderte im Juni 2020 die Krafthaftpflichtversicherung des Landwirts auf, die Haftung dem Grunde nach zu bestätigen und einen Vorschuss in Höhe von 8.000 € zu zahlen. Die Versicherung lehnte allerdings eine Regulierung ab.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 05.03.2021 (Az. 014 O 591/20) hat das Landgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg der auf Feststellung von Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen gerichteten Klage abgelehnt.
Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde hat der 9. Zivilsenat zurückgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch aus dem Straßenverkehrsgesetz (§ 7 Abs. 1 StVG) scheitere daran, dass bei dem konkreten Einsatz des Traktors in Gestalt des Wegziehens bzw. Wegdrückens des Baums die Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund gestanden habe und der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Traktors als Kraftfahrzeug geprägt worden sei. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass die Straße, auf der sich der Traktor im maßgeblichen Zeitpunkt befunden habe, während des Unfallgeschehens für den allgemeinen Verkehr abgesperrt und ein – ursprünglich vorgesehener – Abtransport des Baums mit dem Traktor aufgrund der Stammlänge nicht möglich gewesen sei. Deshalb habe sich der zum Unfall führende Einsatz des Traktors auf die Arbeitstätigkeit vor Ort beschränkt. Hinzu komme, dass der Schaden nicht unmittelbar durch den Einsatz des Traktors selbst, sondern erst nach seinem erfolglosen Versuch des Wegziehens bzw. Wegdrückens des Stammes durch die nachfolgende Sägetätigkeit des Antragstellers eingetreten sei. Auch die Voraussetzungen von Schadensersatzansprüchen aus anderen gesetzlichen Regelungen würden – wovon bereits das Landgericht zutreffend ausgegangen sei – nicht vorliegen.