Um einen kurzfristig ergänzten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten ging es in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 19.05.2021.
Aus hib – heute im bundestag Nr. 673 vom 19.05.2021 ergibt sich:
Der Ausschuss hatte Änderungen gegenüber der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 19/28678 – PDF, 552 KB) empfohlen. Es handelt sich dabei um die Einfügung eines neuen Straftatbestandes der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern (Paragraf 176e) sowie eines neuen Straftatbestands der Verhetzenden Beleidigung (Paragraf 192a) im Strafgesetzbuch.
Letzterer erfasst Inhalte, die eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpfen, böswillig verächtlich machen oder verleumden und hierdurch die Menschenwürde der betroffenen Personen verletzen können.
Wie es in dem Entwurf heißt, führt die Existenz der in den letzten Jahren bekannt gewordenen sogenannten Feindeslisten zu einer erheblichen Verunsicherung in der Bevölkerung und bei den Betroffenen. Unter „Feindeslisten“ seien Sammlungen von Daten, vor allem Adressdaten, aber auch Informationen über persönliche Umstände oder Fotos, von Personen zu verstehen, die – vorwiegend im Internet – verbreitet und zum Teil mit ausdrücklichen oder subtilen Drohungen oder Hinweisen verbunden würden.
In der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Heribert Hirte (CDU) geleiteten Sitzung wurde die im Gesetzentwurf vorgesehene Strafbarkeit des Verbreitens sogenannter Feindeslisten (Paragraf 126a) unterschiedlich bewertet. Auf die kurzfristigen Änderungen gingen nicht alle Sachverständigen in ihren schriftlichen Stellungnahmen ein. Der Rechtswissenschaftler Michael Kubiciel von der Universität Augsburg erklärte, das geplante Verbot der gefährdenden Verbreitung personenbezogener Daten sei verfassungskonform und kriminalpolitisch angemessen, da es dem Schutz der freien Entfaltung der Person gegen Einschüchterungseffekte diene. Änderungen seien nur im Detail möglich, aber nicht zwingend geboten. Das Datenschutzstrafrecht sei dabei nicht hilfreich. Keine Einwände habe er gegen die weiteren neuen Straftatbestände.
Der Strafrechtler Sebastian Golla von der Ruhr-Universität Bochum geht davon aus, dass die Verbreitung personenbezogener Daten politischer Gegner und Gegnerinnen das Klima des politischen Diskurses und der Meinungsbildung negativ beeinträchtigen kann. Es erscheine allerdings nicht sinnvoll, diesen Risiken mit einem Straftatbestand zu begegnen, der auf den Schutz des öffentlichen Friedens zielt. Auch wenn Daten in geschlossenen Bereichen sozialer Medien oder in obskuren Kanälen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, verbreitet werden, könne dies für die betroffenen Personen gefährlich werden. Abgesehen davon halte er es für sinnvoll, das Datenschutzstrafrecht in das Strafgesetzbuch zu integrieren.
Jörg Eisele, Lehrstuhlinhaber an der Universität Tübingen, erklärte, es sei von der Sache her überzeugend, sogenannte Feindeslisten in einem gesonderten Straftatbestand zu erfassen.Bei Weitem nicht alle Fälle würden von den geltenden Strafvorschriften erfasst. Der Wortlaut des Paragrafen 126a erfasse aber nicht nur Listen, sondern jede Verbreitung von personenbezogenen Daten, was die Frage nach einer hinreichenden Eingrenzung des Tatbestandes aufwerfe. Wie Golla befürwortete Eisele grundsätzlich die im ebenfalls auf der Tagesordnung stehenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion (BT-Drs. 19/28777 – PDF, 527 KB) vorgesehene Überführung der Strafvorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes in das Strafgesetzbuch. Gegen die Einführung der Paragrafen 176e und 192a hat Eisele prinzipiell nichts.
Diese befürwortete auch Kai Lohse, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof. Nach Lohses Angaben ist die Erstellung und Verbreitung sogenannter Feindeslisten auch in Ermittlungs- und Strafverfahren des Generalbundesanwalts festgestellt worden. Dies müsse mit strafrechtlichen Mitteln unterbunden werden. Zugleich erweise sich die erstrebte Regelung als wichtiger ergänzender Baustein zu anderer aktueller Gesetzgebung. Es bedürfe aber im Hinblick auf die Meinungsäußerungsfreiheit klarer Auslegungsvorgaben.
Sybille Wuttke von der Staatsanwaltschaft Stuttgart erläuterte, dass bei Anwendung der derzeit geltenden Strafvorschriften lediglich bei einem kleinen Teil der praxisrelevanten Fälle ein strafbares Verhalten festzustellen sei. Dies habe für die staatsanwaltschaftliche Praxis zur Folge, dass in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle keine Ermittlungen eingeleitet werden können. Dem Gesetzentwurf stimme sie daher uneingeschränkt zu, erklärte Wuttke. Sie sprach sich gegen die Anwendung des Datenschutzstrafrechts aus.
Begrüßt wurde der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion dagegen von Eren Basar, Fachanwalt für Strafrecht aus Düsseldorf. Bedenken hat Basar dagegen gegen die Einführung des Paragrafen 126a. Dem Straftatbestand fehle es an einem die Strafbarkeit direkt legitimierenden Rechtsgut, und für eine Rechtfertigung der Vorverlagerung seien die im rechtsstaatlichen Strafrecht dafür notwendigen Voraussetzungen nicht eingehalten.
Alexander Hoffmann vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) betonte in seiner schriftlichen Stellungnahme, der Entwurf sei einerseits reine Symbolpolitik, die nicht geeignet sei, Menschen vor rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen zu schützen. Andererseits bedeute der weit gefasste Tatbestand einen direkten Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung sowie die Pressefreiheit. Der vorliegende Gesetzentwurf werde nicht gebraucht und daher abgelehnt.
Der Dresdener Rechtsanwalt Frank Hannig erklärte, die rechtspolitische Konnotation des Entwurfs möge durchaus wünschenswert und nachvollziehbar sein. Die Umsetzung in einem Strafgesetz, dass über eine Abschreckungswirkung hinaus vor Gericht zu Effekten und Erfolgen führen werde, sei aber aus seiner Sicht nicht gegeben. Es werde der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln und im strafrechtlichen Rahmen nicht überprüfbar sein, wo die strafbare Grenze zwischen erlaubtem und verbotenem Veröffentlichen personenbezogener Daten liegen soll.
Nach Ansicht von Bianca Klose vom Bundesverband Mobile Beratung ist die Einführung eines neuen Paragrafen126a nicht geeignet, Menschen vor den Gefahren rechter, rassistischer, antisemitischer oder misogyn motivierter Gewalttaten zu schützen, sie ausreichend über mögliche Gefahren zu informieren und ihnen professionelle Beratung zur Verfügung zu stellen. Es sei fraglich, ob es vordringlich notwendig ist, die Verbreitung von Namenslisten unter Strafe zu stellen oder ob es nicht vordringlicher ist, die bestehenden Möglichkeiten besser auszunutzen.