Die Wettbewerbszentrale hat verschiedene Werbungen im Zusammenhang mit der Aussage „klimaneutral“ als irreführend und intransparent beanstandet.
Aus der Pressemitteilung der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs vom 19.05.2021 ergibt sich:
Die Wettbewerbszentrale hat Beschwerden zur Werbung mehrerer Unternehmen – darunter auch namhafte Markenhersteller – mit der Aussage „klimaneutral“ erhalten. In den Werbemaßnahmen wurde das Attribut „klimaneutral“ entweder auf das eigene Unternehmen, auf eigene Produkte oder gar auf einen einzelnen Aspekt (z.B. „100 % klimaneutrale Produktion“) bezogen.
In bislang zwölf Fällen hat die Wettbewerbszentrale die Werbeaussagen als irreführend abgemahnt und die Einhaltung gesetzlicher Transparenzvorschriften verlangt. Sechs Unternehmen haben sich verpflichtet, die monierten Werbeaussagen nicht zu wiederholen. In vier Fällen hat die Wettbewerbszentrale Unterlassungsklage eingereicht: zu den Aussagen „Erster klimaneutraler Lebensmitteleinzelhändler“ und „wir handeln klimaneutral“, zu Plastik-Müllbeuteln, die selbst als „klimaneutral“ beworben werden, zu „klimaneutralem Premium-Heizöl“ und zu der Aussage „klimaneutrales Produkt“. Andere Verfahren laufen noch.
Irreführung
Durch die beanstandeten Aussagen wie „100 % klimaneutrale Produktion“, „wir handeln klimaneutral“ oder „klimaneutrales Produkt“ wird nach Auffassung der Wettbewerbszentrale der Eindruck erweckt, dass die Klimaneutralität zu 100 % durch emissionsvermeidende bzw. emissionsreduzierende Maßnahmen erreicht wird, die das werbende Unternehmen selbst und seine Produkte betreffen (eigene Produktionsprozesse, Logistik, Vertrieb).
In den beanstandeten Fällen stellt die angebliche „Klimaneutralität“ aber lediglich ein rechnerisches Ergebnis dar, das durch den Kauf von CO₂-Ausgleichszertifikaten erreicht wird. Mit diesen Zertifikaten werden Maßnahmen in Entwicklungs- und Schwellenländern ohne jeglichen Zusammenhang zum werbenden Unternehmen oder seinen Produkten unterstützt, wie bspw. das Pflanzen von Bäumen in Uruguay, saubere Kochöfen in Ghana oder der Paranussanbau in Peru. Derartige Werbemaßnahmen hält die Wettbewerbszentrale für irreführend, da die Maßnahmen mit dem werbenden Unternehmen und seinen Produkten gar nichts zu tun haben, obwohl dies suggeriert wird und der Kauf von Zertifikaten in der Werbung verschwiegen wird.
„Klimaneutralität ist zu einem zentralen Thema in der Werbung geworden. Viele Marktteilnehmer gehen bei solchen Angaben davon aus, dass es dem Unternehmen aufgrund maßgeblicher eigener Emissionsvermeidung und reduzierung gelungen sei, negative Auswirkungen auf das Klima vollständig zu vermeiden, und dass das Produkt oder die Produktion selbst nicht klimaschädlich ist. Tatsächlich wurden in den beanstandeten Fällen die Treibhausgasemissionen durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten kompensiert. Auch wenn die Kompensation der Restemissionen bis zur vollständigen Umstellung der Prozesse zur Vermeidung von Emissionen zu begrüßen ist, muss darauf klar hingewiesen werden. Erst dann kann der Kunde eine informierte Entscheidung treffen.“, erklärte Dr. Tudor Vlah, zuständiger Referent für umweltbezogene Werbung bei der Wettbewerbszentrale.
Einhaltung von Transparenzanforderungen
Außerdem blieb in den beanstanden Werbemaßnahmen offen, wie hoch der Anteil der klimaschützenden Maßnahmen ist, die das eigene Unternehmen und dessen Produkte betreffen. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verlangt von Unternehmen, in der Werbung die wesentlichen Informationen transparent anzugeben, die der Verbraucher für eine informierte Entscheidung benötigt. Stellt ein Unternehmen die „Klimaneutralität“ in den Mittelpunkt seiner Werbung, sind nach Auffassung der Wettbewerbszentrale Informationen insbesondere darüber wesentlich, welcher Teil der CO₂-Einsparungen einerseits Maßnahmen mit Bezug zum eigenen Unternehmen und dessen Produkten und andererseits die Kompensation durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten betreffen. Zudem gibt es am Markt sehr unterschiedliche CO₂-Zertifikate, mit unterschiedlichem Wirkungsgrad und sehr unterschiedlichen Preisen. Der Ort der Durchführung der Umweltschutzprojekte ist ein preisbildender Faktor, über den der Unternehmer in der Werbung aufklären muss. CO₂-Zertifikate für Umweltschutzprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern sind deutlich kostengünstiger als Zertifikate für Projekte in der EU und in Deutschland und rechtfertigen damit einen geringeren Preisaufschlag auf entsprechend kompensierte Produkte. Weitaus teurer ist die vollständige klimafreundliche Umstellung der eigenen Prozesse, die einen noch höheren Aufpreis rechtfertigt.
„Unternehmen, die ausschließlich oder zum großen Teil Ausgleichsmaßnahmen in Entwicklungsländern vornehmen, dürfen sich keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber denjenigen Unternehmen verschaffen, die bereits hohe Investitionen in die weitaus zeit- und kostenaufwändigere aber nachhaltigere Umstellung der eigenen Prozesse tätigen. Nur durch klare Transparenz kann ein Innovationswettbewerb um das umweltschonendste Wirtschaften anstelle eines ausschließlichen Kompensationswettbewerbs entstehen.“, so Dr. Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale.
Rechtssichere Werbung mit „klimaneutral“
In den Gerichtsverfahren möchte die Wettbewerbszentrale für werbende Unternehmen eine grundsätzliche Klärung der Frage erreichen, welche Anforderungen an eine rechtssichere Werbung mit der Aussage „klimaneutral“ gelten. Bereits 2016 hatte sie in einem Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt die Aussage „der weltweit erste 100 % klimaneutrale Tiefkühl-Kartoffelspezialist. Vom Kartoffelacker bis ins Tiefkühlregal des Handels“ für ein Kartoffelprodukt untersagen lassen, weil hierdurch der falsche Eindruck erweckt wurde, dass es dem Unternehmen gelungen sei, sämtliche Emissionen in der eigenen Produktion zu vermeiden.
Für Unternehmen ist es daher wichtig, den Begriff „klimaneutral“ in der Werbung transparent zu erläutern, um bei Verbrauchern keine falschen Vorstellungen zu erwecken und damit einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.