Das Oberlandesgericht Celle hat am 07.04.2021 zum Aktenzeichen 14 U 135/20 entschieden, wann es ein Mitverschulden begründet, Wasserleitungen nicht abzusperren.
Aus der Pressemitteilung des OLG Celle vom 06.05.2021 ergibt sich:
Ein Zahnarzt ließ im Oktober 2016 eine Desinfektionsanlage in das Frischwassersystem seiner Praxis einbauen und diese zuletzt im November 2017 warten. Im Juli 2018 schloss er seine Praxis für einen dreiwöchigen Urlaub, ohne das Hauptwasserventil abzusperren. Als Nutzer anderer Räumlichkeiten in diesem Haus am Morgen des 28. Juli 2018 das Treppenhaus betraten, kam ihnen schwallartig Wasser aus der im zweiten Obergeschoss gelegenen Praxis entgegen – ein Verbindungsstück zu der Desinfektionsanlage hatte sich gelöst. Die Versicherung des Zahnarztes ersetzte diesem den Schaden von mehr als 200.000 €, verlangte aber von dem Installationsunternehmen Ersatz, weil dieses das Verbindungsstück unsachgemäß montiert habe. Dieses Unternehmen verweigerte eine Zahlung unter anderem aus dem Grund, weil den Zahnarzt ein Mitverschulden treffe.
Das Landgericht Verden hielt diesen Einwand für begründet und hat das Installationsunternehmen nur zum Ersatz des hälftigen Schadens verurteilt, weil der Zahnarzt es grob fahrlässig unterlassen habe, das Wasser während seiner dreiwöchigen Betriebsschließung abzusperren. Jedem vernünftigen Zahnarzt müsse klar sein, dass das Wasser mindestens bei längerer Abwesenheit zur Vermeidung größerer Wasserschäden abgestellt werden müsse. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Der unter anderem für Streitigkeiten aus Bauverträgen zuständige 14 Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat der klagenden Versicherung mit Urteil vom 7. April 2021 Recht gegeben und das Installationsunternehmen zum Ersatz des gesamten Schadens verurteilt.
Nach den bereits vom Landgericht eingeholten Gutachten stehe fest, dass das Unternehmen die Rohrverbindung fehlerhaft hergestellt habe. Ein Mitverschulden des Zahnarztes hat der Senat verneint. Es könne schon nicht festgestellt werden, dass das Wasser über einen längeren Zeitraum ausgetreten und der Schaden nicht nur über Nacht entstanden sei. Dann hätte er aber genauso im normalen Betriebszeitraum entstehen können – der Umstand einer mehrwöchigen Praxisschließung hätte sich nicht ausgewirkt. Zumindest für den Nachtzeitraum hätte der Hauptwasserhahn auch nicht abgesperrt werden müssen – dies sei allgemein unüblich. Schutz- und Obliegenheitspflichten dienen der Vermeidung realistisch drohender Schäden. „Nicht jede denkbare, mögliche und ggf. sogar sinnvolle Schutzmaßnahme führt bei ihrem Unterlassen zu einem Mitverschulden des Versicherungsnehmers,“ erkannte der Senat. Eine sachgerecht montierte Rohrverbindung wäre unlösbar und dauerhaft dicht gewesen. Deshalb habe es keinen zwingenden Grund gegeben, die Wasserzufuhr abzustellen. Nach verschiedenen – über 30 Jahre alten – Urteilen anderer Oberlandesgerichte müsse ein Versicherungsnehmer zwar die Zuleitung zu Haushaltsgeräten mit einem flexiblen Anschlussschlauch – beispielsweise zu Spülmaschinen – regelmäßig absperren, weil diese Schläuche besonders schadensanfällig seien. Eine solche Schlauchverbindung war hier aber nicht betroffen, so dass der Senat auch nicht entscheiden musste, ob ein solcher Grundsatz angesichts verbesserter Schutzmechanismen heute noch anzunehmen wäre.