Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 27.04.2021 zum Aktenzeichen VerfGH 1/21.VB-1 in einem von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Rechtsanwaltskanzlei JURA.CC vertretenen Fall entschieden, dass die Kosten für ein nicht statthaftes Widerspruchsverfahren, dass die Behörde durch die falsche Rechtsbehelfsbelehrung herbeiführte, nicht erstattungsfähig sind.
Der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 30 klagte vor dem Sozialgericht gegen die Stadt wegen der Feststellung eines Grades der Behinderung von 50. In dem laufenden Verfahren erließ die Stadt einen Bescheid über einen Grad der Behinderung von 40. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen ihn Widerspruch erhoben werden konnte. Rechtsanwalt Usebach nahm dies zum Anlass für ein Telefonat mit dem Sachbearbeiter der Stadt, ob man dort die Belehrung mit Blick auf § 96 SGG zutreffend erachte. § 96 Abs. 1 SGG sieht vor, dass ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens wird, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergeht. Und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Der Sachbearbeiter der Stadt hielt die Rechtsbehelfsbelehrung für zutreffend und wollte die nicht widerrufen. Der Bevollmächtigte erhob daraufhin Widerspruch bei der Stadt. Am Folgetag wandte er sich an das Sozialgericht und teilte mit, dass er davon ausgehe, dass der Bescheid nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sei. Er bat insoweit um einen richterlichen Hinweis, den das Sozialgericht auch erteilte. Es bestätigte die Rechtsauffassung von Rechtsanwalt Usebach. Die Stadt beschied den Widerspruch in der Folge nicht mehr. Eine Untätigkeitsklage dagegen blieb erfolglos.
Das Sozialgericht verurteilte die Stadt einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen und die außergerichtlichen Kosten zu übernehmen. Rechtsanwalt Usebach stellte für den Beschwerdeführer Kostenfestsetzungsantrag und umfasst auch das Widerspruchsverfahren gegen den nach § 96 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens umfassten Bescheid. Das Sozialgericht setzte diese Kosten nicht fest und begründete dies damit, dass nach § 193 Abs. 2 SGG nur die Kosten erstattungsfähig seien, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig seien. Die Erinnerung dagegen blieb erfolglos.
Die Verfassungsrichter stellen fest, dass Willkür ausscheide. § 193 Abs. 2 SGG beschränke die Pflicht zur Kostenerstattung auf die notwendigen Kosten, welche so gering wie möglich gehalten werden müssen. Deshalb ist die Ansicht des Sozialgerichts zur vertretbar, dass zur Vermeidung von überflüssigen Kosten vor Erhebung des Widerspruchs zunächst die Nachfrage beim Sozialgericht verpflichtet war, ob der Bescheid aus dessen Sicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden war, obwohl die Stadt eine anderslautende Rechtsbehelfsbelehrung erteilt hat und diese auf Nachfrage bestätigte.