Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 23.04.2021 zum Aktenzeichen 158 C 23585/20 entschieden, dass ein Reiseveranstalter nicht für die Insolvenz einer Fluggesellschaft einstehen und nicht dafür sorgen muss, dass ein Reisender Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung gegen die befördernde Fluggesellschaft durchsetzen kann.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 15/2021 vom 23.04.2021 ergibt sich:
Der Kläger und seine Ehefrau hatten bei der beklagten Münchener Reiseveranstalterin eine Pauschalreise nach Ägypten für 2.508,00 Euro gebucht. Der Hinflug von Nürnberg nach Marsa Alam mit der Fluggesellschaft Small Planet Airlines GmbH war für den 02.10.2018 um 13:30 Uhr vorgesehen. Am 18.09.2018 ging die Flugfirma in Insolvenz. Der Hinflug erfolgte mit einer anderen Fluggesellschaft am 02.10.2018 erst um 22:15 Uhr, sodass der Kläger und seine Ehefrau das gebuchte Hotel erst um 6:00 Uhr erreichten. Die Beklagte hatte vorgerichtlich an den Kläger 100,00 Euro gezahlt.
Der Kläger trägt vor, dass für die Ehefrau aufgrund durch diese Strapaze verursachten Kreislaufversagens drei Tage lang der Hotelarzt aufs Zimmer habe kommen müssen und er sich um seine Frau kümmern musste. Nach der EU-Verordnung 261/2004 hätte er vom Flugunternehmen 800,00 Euro erhalten müssen, was infolge Insolvenz unmöglich geworden sei. Die Beklagte sei schadensersatzpflichtig, weil sie als professionelles Touristikunternehmen eine Fluglinie ausgewählt habe, die sich bekanntermaßen bereits in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe. Die Beklagte trägt vor, dass sie für die Insolvenz der Fluggesellschaft nicht einzustehen habe; deren wirtschaftliche Verhältnisse ihr nicht bekannt gewesen seien. Diese habe ihre Flüge immer zuverlässig durchgeführt. Es bestehe keine Pflicht des Reiseveranstalters, dafür zu sorgen, dass Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung gegen die befördernde Fluggesellschaft durchsetzbar seien. Hinsichtlich der Flugverzögerung, für die allein die Beklagte hafte, seien die ersten vier Stunden als bloße Unannehmlichkeit im Rahmen des Massentourismus entschädigungslos hinzunehmen. Eine Minderung komme ab der fünften Verzögerungsstunde, hier allenfalls für sechs Stunden in Betracht. Deswegen seien eigentlich lediglich 50,16 Euro geschuldet. Die Beklagte biete ihre Reisen nur für durchschnittlich gesunde Reisende an. Dass die Ehefrau des Klägers aufgrund des Abwartens ein Kreislaufversagen erlitten habe, sei als unwahrscheinlich zu bestreiten. Grund sei wohl eher eine Vorerkrankung gewesen.
Das AG München hat die Klage des Reisenden auf Zahlung von 800 Euro wegen Verspätung des Hinfluges abgewiesen.
Die zuständige Richterin am Amtsgericht München begründet ihr Urteil u.a. so:
„Vorliegend war in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Pauschalreisevertrag eine unverbindliche Abflugzeit für den Hinflug am 02.10.2018 um 13:30 Uhr angegeben. Eine Verschiebung der vorgesehenen Abflugzeiten ist im Rahmen des Massentourismus in gewissem Umfang als bloße Unannehmlichkeit hinzunehmen. Verzögert sich der Abflug allerdings über eine Dauer von mehr als 4 Stunden über die vorgesehene Abflugzeit hinaus, so stehen dem Reisenden nach überwiegender Rechtsprechung wegen dieses Reisemangels Minderungsansprüche gemäß § 651m BGB in Höhe von 5 % des anteiligen Tagesreisepreises für jede weitere Stunde zu. Ausgehend von einem Tagesreisepreis von 167,20 € (2.508,00 € : 15 Tage) und einer berücksichtigungsfähigen Flugverschiebung von 6 Stunden hat die Beklagte den diesbezüglichen Minderungsanspruch des Klägers durch vorgerichtliche Regulierung in Höhe von 100,00 € hinreichend ausgeglichen. Der individuelle Gesundheitszustand des Reisenden ist nicht Gegenstand des zwischen den Parteien abgeschlossenen Reisevertrages. Auszugehen ist insoweit vom Gesundheitszustand eines durchschnittlichen Reisenden. Die Auswahl einer solventen Fluglinie mit dem Zweck, dem Reisenden etwaige Ausgleichsansprüche nach Fluggastrechteverordnung zu sichern, ist nicht vom Schutzzweck des Pauschalreisevertrages umfasst. Im Übrigen käme ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte als Reiseveranstalterin nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass dieser Anspruch gegen die insolvente Fluggesellschaft als ausführendes Luftfahrtunternehmen tatsächlich bestand. Insofern ist bereits fraglich, ob es sich bei der insolventen Fluggesellschaft um das „ausführende Luftfahrtunternehmen“ in Sinne der Fluggastrechteverordnung handelt, denn mit der tatsächlichen Durchführung der Luftbeförderung wurde von der Beklagten kurzfristig unstreitig eine andere Fluggesellschaft betraut. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei Vertragsabschluss oder im Vorfeld des gebuchten Hinfluges Kenntnis von der Insolvenz der Fluggesellschaft hatte, zumal der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zwingend zu einer Einstellung des Flugbetriebes führen muss und vorliegend infolge der angeordneten vorläufigen Eigenverwaltung jedenfalls bis 31.10.2018 auch nicht dazu führte.“
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.