Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (Teilhabestärkungsgesetz) wird von Experten überwiegend positiv bewertet.
Aus hib – heute im bundestag Nr. 508 vom 19.04.2021 ergibt sich:
Allerdings seien an dem Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/27400 – PDF, 478 KB) Nachbesserungen nötig, unter anderem bei den Regelungen zu Assistenzhunden, beim Budget für Ausbildung oder der Hilfe für Werkstätten während der Pandemie, lautete der Tenor in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag.
Gegenstand der Anhörung war zum einen der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der durch zahlreiche Änderungen in den Sozialgesetzbüchern den Alltag von Menschen mit Behinderungen erleichtern will. Unter anderem soll sich die Betreuungssituation in den Jobcentern verbessern, Gewaltschutzkonzepte sollen Menschen, die in Einrichtungen leben, besser vor Übergriffen schützen. Menschen mit Behinderungen soll der Zutritt nicht wegen der Begleitung eines Assistenz- oder Blindenführhundes verweigert werden können. Ferner standen noch zahlreiche Anträge der Oppositionsfraktionen zur Debatte: ein Antrag (BT-Drs. 19/22929 – PDF, 254 KB) der AfD-Fraktion zu Teilhabeleistungen in Krankenhäusern; zwei Anträge (BT-Drs. 19/24886 – PDF, 340 KB); BT-Drs. 19/14503 – PDF, 272 KB) der FDP-Fraktion zur umfassenden Inklusion und zum Assistenzhundegesetz; zwei Anträge (BT-Drs.19/27299 – PDF, 519 KB); BT-Drs. 19/27316 – PDF, 458 KB) der Fraktion Die Linke zur Selbstbestimmung und zu Assistenzhunden und ein Antrag (BT-Drs. 19/24437 – PDF, 328 KB) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Sozialstaat auf Augenhöhe – Zugang zu Teilhabeleistungen verbessern“.
Gegen die Unterscheidung zwischen Assistenz- und Blindenführhunde sprachen sich die Vereine Associata-Assistenzhunde und die Allianz für Assistenzhunde – Pfotenpiloten aus. „Blindenführhunde sind ganz klar Assistenzhunde“, die geplante Differenzierung würde nur Verwirrung stiften, sagte Roswitha Warda von den Pfotenpiloten. Um zu verhindern, dass sich einfache Hundehalter Zutritt zu Gebäuden verschafften, obwohl es sich nicht um Assistenzhunde-Teams handele, sollten bestehende Teams in ein Melderegister überführt werden, schlug Thomas Hansen von Associata vor.
Die stärkere Rolle der Jobcenter bei der Vermittlung von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt wurde von Helga Seel von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation und von Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag begrüßt. Gleichzeitig betonten beide Expertinnen, dass es sich um eine sehr anspruchsvolle und komplexe Aufgabe handele, für die dann auch die nötigen personellen Ressourcen nötig seien.
Die Ausweitung des Budgets für Arbeit auf Menschen, die schon in einer Werkstatt arbeiten, wurde unter anderem von Kathrin Völker von der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen begrüßt. Für einen besseren Zugang zu beruflicher Bildung sei es jedoch wichtig, auch einen nach Landesrecht geregelten anerkannten (dualen) Ausbildungsgang absolvieren zu können oder Zugang zu anderen Tätigkeiten zur beruflichen Qualifizierung zu erhalten, betonte Völker.
Träger grundsätzlich zu verpflichten, Gewaltschutzkonzepte vorzulegen, sei ein sehr guter Ansatz. Man solle dies jedoch ergänzen durch eine bundesweite Beschwerdestelle und ein eigenes Qualitätsmerkmal im SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch), schlug Antje Welke von der Bundesvereinigung Lebenshilfe vor.
Grundsätzlichere Anmerkungen kamen von den Einzelsachverständigen Nancy Poser und Constantin Grosch, die ebenfalls einige der geplanten Regelungen begrüßten. Zugleich kritisierten beide, dass einige Fehler des Bundesteilhabegesetzes damit nicht behoben würden. Das betreffe unter anderem das volle Wunsch- und Wahlrecht beim Thema Wohnen, die Anrechnung von Einkommen und Vermögen und eine verpflichtende Barrierefreiheit auch für die Privatwirtschaft. „Mein Leben findet ja nicht in Behörden statt“, betonte Nancy Poser.