Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat am 19.04.2021 zum Aktenzeichen 13 MN 192/21 einen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 13 Absatz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30.10.2020, zuletzt geändert durch Verordnung vom 16.04.2021 und des hierin bestimmten testabhängigen Zutrittsverbots zu einem Schulgelände während des Schulbetriebs abgelehnt.
Aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 31/2021 vom 20.04.2021 ergibt sich:
Gegen diese Regelung hatten sich drei Schüler aus dem Landkreis Harburg mit einem Normenkontrolleilantrag gewandt. Sie hatten im Wesentlichen geltend gemacht, die angegriffenen Bestimmungen verletzten sie in ihren Grundrechten auf Achtung der Menschenwürde aus Art. 1 GG, auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 GG und auf Erziehung und Betreuung durch ihre Eltern aus Art. 6 GG. Die Anordnung der Testpflicht obliege allein den zuständigen Gesundheitsbehörden und nicht den Schulen. Außerdem sei die Testpflicht willkürlich und unverhältnismäßig. Die eingesetzten Antigen-Schnelltests seien nicht in der Lage, die Infektiosität einer Person nachzuweisen oder ein Infektionsgeschehen zu ermitteln. Deswegen dürfe der Schulbesuch, auf den ein Rechtsanspruch bestehe, nicht von einem negativen Testergebnis abhängig gemacht werden.
Der 13. Senat ist den Argumenten nicht gefolgt und hat den Antrag abgelehnt.
Das in § 13 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30.10.2020, zuletzt geändert durch Verordnung vom 16.04.2021, (im Folgenden: Corona-VO) angeordnete Verbot, das Schulgelände während des Schulbetriebs zu betreten (§ 13 Abs. 4 Satz 1 Corona-VO), wenn nicht der Nachweis der zweimaligen Durchführung eines von der Schule zur Verfügung gestellten Selbsttests in der Woche geführt wird oder nicht unmittelbar nach dem Betreten des Geländes der Schule ein Selbsttest durchgeführt wird, und der Test ein negatives Ergebnis aufweist (§ 13 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 Corona-VO), sowie die verordnete Verpflichtung, die Schulleitung über ein positives Testergebnis zu informieren (§ 13 Abs. 4 Satz 6 Corona-VO) beruhten auf § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und erwiesen sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.
Die Bestimmungen seien hinreichend bestimmt. Unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Senats und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens sei auch weiterhin davon auszugehen, dass die materielle Rechtmäßigkeit der Niedersächsischen Corona-Verordnung im Hinblick auf das „Ob“ eines staatlichen Handelns keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt sei. Auch der durch die streitgegenständliche Verordnungsregelung betroffene Adressatenkreis sei nicht zu beanstanden. Nach der aktuellen Risikobewertung des Robert Koch-Instituts beträfen COVID-19-bedingte Ausbrüche zunehmend auch Schulen, so dass für Schülerinnen und Schüler und für das Schulpersonal als Adressaten des testabhängigen Zutrittsverbots nach § 13 Abs. 4 Corona-Verordnung ein hinreichend konkreter Bezug zu einer Infektionsgefahr bestehe.
Die in der streitgegenständlichen Verordnungsregelung getroffenen Schutzmaßnahmen seien auch in ihrem konkreten Umfang als notwendige Infektionsschutzmaßnahmen anzusehen. Die Eignung werde nicht dadurch infrage gestellt, dass jeder Corona-Test immer nur eine Momentaufnahme sei. Es sei zwar nicht in Abrede zu stellen, dass die Genauigkeit der zur Anwendung zugelassenen Selbsttests insbesondere hinter der einer molekularbiologischen Untersuchung mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR-Testung) zurückbleibe. Dies allein stelle die Eignung zur Erkennung von tatsächlich gegebenen SARS-CoV-2-Infektionen aber nicht infrage. Zwar lägen die Durchführung der Selbsttests und die Feststellung des Testergebnisses allein in der Verantwortung der genannten Personen, so dass hierdurch die Fehleranfälligkeit erhöht sein könne. Es beständen aber keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Schülerinnen und Schülern, deren Eltern und auch das Schulpersonal in nennenswertem Umfang geschweige denn flächendeckend den an sie gestellten Anforderungen an die eigenverantwortliche Testdurchführung nicht genügen könnten oder nicht genügen wollten.
Die getroffenen Schutzmaßnahmen erwiesen sich schließlich auch als angemessen, da – soweit ein Grundrechtseingriff zu bejahen sei – dieser nur von geringem Gewicht sei. Der Zutritt zu einem Schulgelände während des Schulbetriebs und damit auch die Teilnahme am Präsenzunterricht werde zwar von dem Nachweis abhängig gemacht, nicht mit SARS-CoV-2 infiziert zu sein. Dieser Nachweis könne aber u.a. auch ohne Weiteres durch einen Selbsttest geführt werden, der die Betroffenen lediglich geringe belaste. Zwar könnten falsch-positive Testergebnisse zu Belastungen für die getestete Person und den öffentlichen Gesundheitsdienst führen. Diese Belastungen sei für die getestete Person bis zu einer Klärung durch eine PCR-Testung aber nur von kurzer Dauer und führen daher nicht zur Unangemessenheit des testabhängigen Zutrittsverbots.
Die minderjährigen Schülerinnen und Schüler in der richtigen Anwendung der Selbsttests zu unterweisen, sie über die Bedeutung der Selbsttests und auch sonst des eigenverantwortlichen Handelns in der Pandemiebekämpfung aufzuklären und sie im Umgang selbst mit positiven Testergebnissen vertrauensvoll zu begleiten, sei zuvörderst Aufgabe und zugleich Pflicht der Eltern. Im Übrigen könne der Selbsttestung letztlich regelmäßig durch eine Befreiung von der Verpflichtung zur Teilnahme am Präsenzunterricht ausgewichen werden.
Die verbleibende Belastung für die vom testabhängigen Zutrittsverbot betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie das Schulpersonal sei angemessen und daher von ihnen hinzunehmen, da das testabhängige Zutrittsverbot der staatlichen Verpflichtung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Vorschub leiste, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und der Verwirklichung des Rechts auf Bildung nach Art. 4 Abs. 1 NV diene, indem Präsenzunterricht bei deutlicher Reduktion des Infektionsrisikos in der Schule ermöglicht werde.
Der Beschluss ist unanfechtbar.