Das Amtsgericht Hannover hat mit Urteil vom 12.04.2021 zum Aktenzeichen 570 C 12046/20 die Klage einer Familie gegen ein Hannoversches Reiseunternehmen auf Rückzahlung des Reisepreises sowie nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und Ersatz von Fahrtkosten als unbegründet abgewiesen.
Aus der Pressemitteilung des AG Hannover vom 15.04.2021 ergibt sich:
Die Klägerinnen buchten für den Zeitraum 26.06.2020 bis 06.07.2020 einen Cluburlaub in Österreich. Die Urlaubsanlage führte bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßig Tests auf das SARS-COV2-Virus durch. Diese waren bis zur Anreise der Klägerinnen negativ. Nach der Anreise wurde ein Mitarbeiter des Clubs, vermutlich ein Mitarbeiter, der im Fahrradverleih tätig war, positiv auf das SARS-COV2-Virus getestet. Es bestand der Verdacht, dass sich die Klägerinnen angesteckt haben könnten. Die Klägerinnen wurden nach Darstellung des Reiseunternehmens von den lokalen Behörden vor die Wahl gestellt, den Rest des Urlaubs im Hotelzimmer in Quarantäne zu verbringen oder die Heimreise anzutreten, wobei ersteres nicht für die Klägerinnen in Betracht kam. Sie wurden dann durch behördliche Entscheidung vom 29.6.2020 angewiesen, die von ihnen gewünschte Heimreise auf der kürzest möglichen Route anzutreten.
Die Beklagte zahlte nur einen Teil des Reisepreises zurück. Mit der Klage begehren die Klägerinnen die Rückzahlung des vollständigen Reisepreises sowie Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit und Ersatz der Fahrtkosten.
Nach der Entscheidung des Amtsgerichts haben die Klägerinnen weder einen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises noch auf eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit und Ersatz von Fahrtkosten.
Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 651i Abs. 3 Nr. 6, 651m BGB. Dies würde nämlich voraussetzen, dass ein Reisemangel nach § 651i Abs. 1 BGB vorlag, was aber nicht der Fall ist. Nach der Vorschrift liegen Reisemängel vor, wenn die Reise nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Dass die Parteien eine konkrete Vereinbarung getroffen hätten, wonach Inhalt der Reise sein sollte, dass im Reisezeitraum kein Mitarbeiter der Urlaubsanlage an Covid-19 erkranken würde oder keine behördlichen Maßnahmen gegen die Klägerinnen verhängt werden würden, tragen die Klägerinnen nicht vor. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Vereinbarung konkludent geschlossen werden sollte.
Ein Mangel ergibt sich auch nicht aus § 651i Abs. 2 Satz 2 BGB. Danach liegt ein Reisemangel vor, wenn sich die Pauschalreise nicht zum vorausgesetzten Nutzen eignet, ansonsten, wenn sie sich für den gewöhnlichen Nutzen eignet, aber keine Beschaffenheit aufweist, die bei Pauschalreisen der gleichen Art üblich ist und die der Reisende nach der Art der Pauschalreise erwarten kann.
In Bezug auf Erkrankungen, Unfälle und ähnliche Ereignissen gilt insoweit nach der Rechtsprechung, dass der bzw. die Reisende erwarten kann, dass er/sie durch die vom Reiseveranstalter beherrschbaren Umstände der Reise nicht geschädigt wird, beispielsweise nicht aufgrund des vom Veranstalter zur Verfügung gestellten Essens erkrankt oder durch unterlassene Verkehrssicherungspflichten verunfallt, ebenso, dass er nicht durch Erfüllungsgehilfen des Veranstalters schuldhaft geschädigt wird.
Der Veranstalter muss der Rechtsprechung nach dagegen nicht für Ereignisse einstehen, die dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen sind und außerhalb der von ihm geschuldeten Leistung geschehen.
Eine Reisemangel ergibt sich danach nicht, denn die Klägerinnen konnten nach der Art der Pauschalreise nicht erwarten, während ihrer Reise auf keine positiv auf das SARS-COV2-Virus getesteten Menschen zu treffen und den daraus folgenden Beeinträchtigungen nicht ausgesetzt zu werden. Denn die Ursache der Beeinträchtigungen der Reise, also die Erkrankung eines Mitarbeiters der Urlaubsanlage, lag nicht in einem Umstand, den gerade die Beklagte als Reiseveranstalterin bzw. ihre Erfüllungsgehilfen beherrschen konnte. Es konnte daher auch keine entsprechende vertragliche Erwartung der Klägerinnen bestehen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die behördliche Anweisung auf dem Kontakt der Klägerinnen zu einer positiv auf das SARS-COV2-Virus getesteten Person beruhte und ein solcher Kontakt in der Urlaubsanlage sowohl zu Mitarbeiter/innen als auch anderen Reisenden hätte erfolgen können. In dem Kontakt zu einer infizierten Person und der anschließenden behördlichen Verfügung hat sich damit ein typisches allgemeines Lebensrisiko verwirklicht und es ist keine vertraglich begründete Erwartung an die Reise enttäuscht worden. Anders, als etwa bei der Verbreitung von Krankheiten durch Verpflegung, welche nur durch den Reiseveranstalter (und nicht andere Mitreisende) zur Verfügung gestellt wird, beruht die Erkrankung des Mitarbeiters und die behördliche Entscheidung hier nämlich nicht auf einem Umstand, den nur die Beklagte beherrschen konnte und der bzw. dessen Fehlen daher vom Reisenden als üblich erwartet werden kann.
Ein Reisemangel ergibt sich auch nicht daraus, dass die infizierte Person ein Mitarbeiter der Urlaubsanlage und kein Dritter war. Soweit die Rechtsprechung bei bestimmten Sachverhalten, in denen sich an sich ein allgemeine Lebensrisiko verwirklicht (z. B. Diebstählen oder sexuellen Belästigungen) einen Reisemangel annimmt, wenn die Beeinträchtigung durch einen Mitarbeiter der Hotelanlage erfolgt, dagegen nicht, wenn sie durch einen Dritten im Urlaubsland erfolgt, so hat dies seinen Grund darin, dass vertraglich die berechtigte Erwartung besteht, nicht durch den Reiseveranstalter selbst bzw. seine Erfüllungsgehilfen schuldhaft geschädigt zu werden, insbesondere da der Reiseveranstalter durch Auswahl und Überwachung seiner Erfüllungsgehilfen auch Einfluss darauf nehmen kann. Da hier aber weder vorgetragen ist, noch irgendwelche Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der betroffene Mitarbeiter schuldhaft die eigene Erkrankung verursacht hätte, ist keine vertraglich berechtigte Erwartung verletzt worden.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.