Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert den Entwurf des neuen Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vor allem hinsichtlich geplanter Ausgangsbeschränkungen, weist aber auch auf die Notwendigkeit parlamentarischer Kontrolle hin.
Aus der Pressemitteilung des DAV vom 14.04.2021 ergibt sich:
Es ist unbestritten, dass zur Eindämmung der Pandemie weitreichende Beschränkungen des sozialen Lebens erforderlich sind. Ein generelles Verbot, die eigene Wohnung zu verlassen – selbst allein –, ist jedoch mit dem Leitbild des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren. Dies gilt auch dann, wenn Ausnahmen zugelassen werden, etwa für Einkauf, Arbeit oder Arztbesuche. „Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht gezwungen werden, sich gegenüber der Polizei dafür zu rechtfertigen, warum sie von grundlegenden Freiheiten Gebrauch machen“, mahnt Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Präsidentin des DAV.
Rechtsuchenden muss der Zugang zu anwaltlicher Unterstützung immer offenstehen. Er darf nicht von der Bewertung der Dringlichkeit durch den Staat abhängen. „Juristische Laien können regelmäßig nicht einschätzen, wie wichtig oder dringend ein Anwaltsbesuch ist“, gibt Kindermann zu bedenken. „Die Umstände, die eine solche Einschätzung ermöglichen, fallen überdies unter das Mandatsgeheimnis.“ Der DAV hat seit Beginn der Pandemie darauf hingewiesen.
Allgemeine Ausgangsbeschränkungen werden sich kaum verhältnismäßig umsetzen lassen – zumal die Ansteckungsgefahr im Freien geringer ist. „Einzelne gezielte Maßnahmen können durchaus sinnvoll sein, etwa Kontaktbeschränkungen oder Betretungsverbote, etwa um eine Party im Park zu verhindern“, so die DAV-Präsidentin. Das rechtfertige es jedoch nicht, Regelungen zu schaffen, die in unverhältnismäßiger Weise die persönliche Bewegungsfreiheit einschränken. „Ausgangsbeschränkungen können hier sogar kontraproduktiv bis gefährlich sein, wenn sie dazu führen, dass statt eines überschaubaren Picknicks im Park mit spätem Ausklang die Menschen sich heimlich zu Hause treffen, wo Aerosole viel konzentrierter sind als unter freiem Himmel“, gibt Kindermann zu bedenken.
Im neuen § 28 b Absatz 6 IfSG soll die Bundesregierung zum Erlass eigener Rechtsverordnungen ermächtigt werden. Die Zustimmung des Bundestags ist im Grundsatz vorgesehen. Auch wenn das Grundgesetz beim Erlass von Rechtsverordnungen eine Beteiligung des Bundestags nicht vorsieht, wäre dies ein sinnvoller Weg, um die Maßnahmen auf eine breite demokratische Legitimation zu stellen. Der DAV hat sich bereits seit Beginn der Pandemie dafür stark gemacht, dass eine parlamentarische Kontrolle auch in Krisenzeiten gewährleistet sein muss. Dass die Zustimmung des Bundestags bei Schweigen allerdings fingiert werden kann, schwächt diese Lösung.