Mit einer Bundesratsinitiative wollen Nordrhein-Westfalen und Hamburg erreichen, dass Deutschland als Gerichtsstandort für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten gestärkt wird.
Aus der gemeinsame Pressemitteilung der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz Hamburg und des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23.03.2021 ergibt sich:
Ein gemeinsamer Gesetzentwurf sieht vor, dass die Länder an den Landgerichten Kammern für internationale Handelssachen und an den Oberlandesgerichten Senate für größere internationale Handelssachen einrichten können. Verhandelt würden vor den entsprechenden Senaten der Oberlandesgerichte dann Wirtschaftsstreitigkeiten mit internationalem Bezug und einem Streitwert ab zwei Millionen Euro – auch erstinstanzlich, wenn die Parteien dies vereinbaren. Hamburg und Nordrhein-Westfalen wollen ihre Initiative am 26. März in den Bundesrat einbringen.
Dem Entwurf zufolge soll es möglich sein, diese internationalen Handelsverfahren teilweise oder ganz auch in englischer Sprache zu führen. Vor den Oberlandesgerichten sollen außerdem sensible Informationen beispielsweise zu Verträgen auf Antrag einer Partei unter bestimmten Umständen als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden können. Geplant ist dort zudem, dass die Verfahrensbeteiligten ein Wortprotokoll beantragen und in einem abgesteckten Rahmen auch auf die Verfahrensgestaltung Einfluss nehmen können.
Um die Effizienz der Justiz in diesem Bereich zu steigern und für internationale Unternehmen ein übersichtliches Angebot in Deutschland zu schaffen, sollen Commercial Courts nur an einem Oberlandesgericht je Land eingerichtet werden können. Gleichzeitig sollen länderübergreifend durch Staatsverträge gemeinsame Commercial Courts geschaffen werden können. Damit könnten sich Länder, die keine eigenen Senate einrichten wollen, anderen Ländern anschließen.
Der Gesetzesentwurf aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen sieht außerdem vor, dass die Länder an einem Oberlandesgericht einen oder mehrere bereits bestehende Zivilsenate bestimmen können, vor denen auch rein nationale Handelssachen verhandelt werden können. Auch dies würde für einen Streitwert von über zwei Millionen Euro und bei entsprechender Vereinbarung für erstinstanzliche Verfahren gelten.
Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina: „Gerade vor dem Hintergrund des Brexit wollen wir die deutsche Justiz in Wirtschaftsstreitigkeiten stärken. Bisher fanden viele der großen Verfahren in London statt. Der Brexit wirkt sich nicht nur auf den Wirtschaftsverkehr aus, sondern dürfte auch zu einer Verlagerung der Wirtschaftsstreitigkeiten führen. Die deutsche Justiz genießt international hohes Ansehen. Mit einer solchen Spezialisierung bei Handelssachen und Angeboten wie Englisch als Verfahrenssprache können wir diese Stellung im internationalen Rechtsverkehr stärken und den Rechtsstandort Deutschland für Wirtschaftsakteure attraktiver machen.“
Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach: „Die deutsche Justiz genießt über die Grenzen unseres Landes hinaus einen hervorragenden Ruf. Sie steht aber auch gerade bei großen Wirtschaftsverfahren in einem harten Wettbewerb. Ihre hohe Qualität gilt es weiter zu sichern. Ich möchte nicht tatenlos zuschauen, dass das Wirtschaftsrecht etwa zu ausländischen Gerichten abwandert oder immer weiter gerade durch nichtöffentliche Schiedsgerichte geprägt wird. Als Minister sehe ich es als unsere rechtstaatliche Aufgabe, das gute und weltweit anerkannte deutsche Rechtssystem in einer komplexen und globalisierten Welt bedarfsgerecht anzupassen, um zeitgemäße Verfahrensangebote zu unterbreiten. All dies hat dann auch positive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt. Eine optimal funktionierende Justiz ist Rechtsstaatsgarant und Wirtschaftsfaktor zugleich!“
Der Gesetzesentwurf war unter der Federführung Hamburgs und Nordrhein-Westfalens in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet und der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister im vergangenen Jahr vorgelegt worden. Der Antrag fand dort eine breite Zustimmung. Für die Umsetzung der Initiative müssten das Gerichtsverfassungs- und das Zivilprozessrecht angepasst werden.