Am Landgericht Osnabrück sind zu den Aktenzeichen 9 O 1792/20, 9 O 2216/20 und 9 O 2416/20 sind derzeit eine Reihe von Fällen anhängig, in denen Betreiber von Restaurants, Hotels und anderen Gewerben von ihren Versicherungen Leistungen wegen der Betriebsschließung im ersten sog. „Lockdown“ ab März 2021 einklagen.
Aus der Pressemitteilung des LG Osnabrück Nr. 15/2021 vom 22.03.2021 ergibt sich:
Sie berufen sich jeweils darauf, dass die staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen aufgrund der COVID-19-Pandemie einen versicherten Fall der Betriebsschließung darstellten. Jedenfalls in bestimmten Fällen trifft das aber nicht zu, entschied nun das Landgericht Osnabrück in drei Parallelverfahren mit Urteil jeweils vom 12. März 2021.
Geklagt hatten der Betreiber einer Gaststätte in Bramsche, die Betreiberin eines Verpflegungsservice für Kantinen aus dem Emsland und der Betreiber eines Fitnessstudios in Papenburg. Gerichtet waren die Klagen gegen die jeweilige Betriebsschließungsversicherung. Mit dieser hatten die Kläger in allen drei Fällen für jeden Tag der Betriebsschließung im Versicherungsfall einen pauschalen Entschädigungsbetrag vereinbart. Die Kläger verlangten nun auf dieser Grundlage von der Versicherung wegen des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 Beträge zwischen rund EUR 18.500,00 und rund EUR 30.000,00. Die Versicherungen hatten vorgerichtlich Zahlungen in Höhe von maximal 15% der jeweils geforderten Summe angeboten bzw. teilweise auch gezahlt, weitere Leistungen aber abgelehnt.
Die Kläger machten nun mit ihren Klagen geltend, versichert seien u.a. Betriebsschließungen aufgrund von Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz. Die Versicherungsbedingungen enthielten dazu zwar eine Aufzählung der versicherten Krankheiten. Diese sei aber nicht abschließend. Vielmehr seien Betriebsschließungen aufgrund aller Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz erfasst. Jedenfalls hafte die Versicherung aus einem Beratungsfehler, weil sie nicht auf den eventuell abschließenden Charakter der Aufzählung hingewiesen habe.
Die Versicherungen lehnten in allen drei Fällen die Zahlung der geforderten Summen ab. Der Katalog der in den Versicherungsbedingungen genannten Krankheiten sei abschließend. Nur bei einer Schließung im Zusammenhang mit dem Auftreten einer dieser Krankheiten liege ein Versicherungsfall vor. Versichert sei zudem ohnehin nur die Betriebsschließung im Einzelfall durch das Gesundheitsamt, nicht eine allgemeine Maßnahme wie der Lockdown durch die Landesregierung.
Die zuständige 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück gab nun in den drei entschiedenen Fällen jeweils der beklagten Versicherung recht. Es sei einhellige Auffassung der Kammer, dass kein Anspruch auf Versicherungsleistungen wegen einer Betriebsschließung im ersten Lockdown bestehen könne, wenn die Versicherungsbedingungen einen abschließenden Katalog an versicherten Erregern/Krankheiten enthielten und darin SARS-CoV-2/Covid-19 nicht genannt sei. Denn der Katalog der versicherten Krankheiten bzw. Krankheitserreger nach den insoweit in allen drei Fällen (weitgehend) identischen Versicherungsbedingungen sei eindeutig abschließend. Die Versicherungsbedingungen verwiesen zwar jeweils auf die §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz. Sie listeten dann aber die dort bei Abschluss des Versicherungsvertrages genannten Krankheiten und Erreger auf. Dabei werde sprachlich sehr deutlich, dass auch nur Betriebsschließungen wegen dieser genannten Krankheiten versichert sein sollten. Eine Erstreckung auf in dem Katalog nicht genannte Erreger bzw. Krankheiten wie Sars-CoV-2/Covid-19 ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch im Wege der Auslegung. Denn der abschließende Charakter des Kataloges trete eindeutig hervor. Die Regelung diene offenkundig gerade der Klarstellung, dass keine dynamische Verweisung auf alle jeweils im Infektionsschutz genannten Krankheiten gewollt sei, sondern der Schutz nur die genannten Risiken umfassen sollte.
Der Ansicht einzelner anderer Gerichte, dass ein solcher abschließender Krankheitskatalog intransparent und damit unwirksam sei, folgte die 9. Zivilkammer nicht. Der abschließende Charakter der Auflistung sei für jeden Versicherungskunden deutlich erkennbar. Die Auflistung sei auch nicht in treuwidriger Weise einseitig nachteilig für den Kunden. Vielmehr lege sie im gemeinsamen Interesse von Versicherung und Kunde fest, welche Risiken, d.h. welche Krankheiten, versichert seien und welche nicht.
Die 9. Zivilkammer hob in den Urteilsbegründungen ausdrücklich hervor, dass sich die in den Urteilen zugrundegelegte einhellige Rechtsauffassung der Kammer ausschließlich auf Fälle beziehe, in denen die Versicherungsbedingungen einen geschlossenen Katalog an Erregern bzw. Krankheiten enthielten, in Bezug auf die Versicherungsschutz bestehen sollte. Zudem beziehe sich die Rechtsprechung der Kammer nur auf den Lockdown im Frühjahr 2020, weil nur dieser Gegenstand der Verfahren gewesen sei. Eine Entscheidung über andere potentielle Fragen, etwa ob der Lockdown im Frühjahr überhaupt einen Fall der krankheitsbedingten Betriebsschließung im Sinne der entsprechenden Versicherungen darstelle, sei damit nicht getroffen.
Am Landgericht Osnabrück liegen weitere Klage gegen Betriebsschließungsversicherungen wegen des Lockdowns im Frühjahr 2020 vor. Wegen der erneuten Maßnahmen ab Herbst 2020 sind dagegen bisher keine Fälle anhängig. Die Entscheidungen vom 12. März 2021 sind nicht rechtskräftig. Die jeweiligen Kläger können gegen die Urteile mit der Berufung zum Oberlandesgericht Oldenburg vorgehen.