Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 09.03.2021 zum Aktenzeichen 473 C 12632/20 entschieden, dass ein Student nicht deswegen zur außerordentlichen Kündigung seines Studentenapartments berechtigt ist, weil er sein Studium aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr im Präsenzlehrbetrieb, sondern nur noch in digitaler Form („online“) wahrnimmt.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 11/2021 vom 19.03.2021 ergibt sich:
Der Beklagte hatte seit August 2018 ein möbliertes Studentenapartment gemietet. Das Apartment darf aufgrund rechtlicher Verpflichtung der Vermieterin nur an studierende oder sonstige in schulischer oder beruflicher Ausbildung befindliche Personen überlassen werden. Im Mietvertrag heißt es u.a.in § 5 Abs. 4: „Der Mieter ist berechtigt, das Mietverhältnis vor Ablauf der Mietzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende zu kündigen, wenn er dem Vermieter in geeigneter Form nachweist, dass er die Voraussetzungen für die Nutzung der Mietsache nicht mehr erfüllt, weil er seine Ausbildung endgültig aufgegeben oder beendet hat. Eine Kündigung zum 30.06. und 31.07. eines Jahres ist ausgeschlossen“.
Der Beklagte ist seit dem Wintersemester 2018/19 an der Garchinger Zweigstelle der TU München immatrikuliert. Am 14.04.2020 erhielt er von der Uni die Mitteilung, dass der Präsenzlehrbetrieb für das laufende Sommersemester bis auf weiteres nicht aufgenommen werde, die Veranstaltungen würden lediglich in digitaler Form angeboten. Mit Schreiben vom 15.04.2020 kündigte der Beklagte das Mietverhältnis über das Apartment fristlos aus wichtigem Grund, erklärte hilfsweise die Kündigung zum nächstmöglichen Termin und gab die Schlüssel der am gleichen Tag geräumten und gesäuberten Wohnung zurück. Der Beklagte meint, zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt gewesen zu sein, da er genauso gut von seinen Eltern aus studieren könne, als Student schon genügend wirtschaftliche Nachteile durch Anschaffung der Technik für die Onlineteilnahme an den Vorlesungen, den Umzug sowie die zeitliche Verzögerung seines Studiums habe und es sich nicht leisten könne Wohnraum zu finanzieren, den er nicht brauche. Er habe genau so wenig Schuld an der eingetretenen Situation wie der Vermieter, sei aber der wirtschaftlich Schwächere.
Das AG München hat den Studenten verurteilt, bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für sein Studentenapartment weitere vier Monatsmieten für die Monate Mai bis August 2020 in Höhe von insgesamt 3.280 Euro an die vermietende Gesellschaft zu zahlen und umgekehrt diese, an den Studenten die Kaution von 1.860 Euro zurück zu zahlen.
Der zuständige Richter am Amtsgericht München begründete sein Urteil u.a. so: „Ein Kündigungsgrund nach § 5 Abs. 4 des Mietvertrages vom 11./20.08.2018 ist nicht gegeben: Unstreitig war der Beklagte das gesamte Sommersemester weiter als Student in der TUM immatrikuliert, er hatte auch weder seine Ausbildung beendet noch aufgegeben. Nach § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Wesentlich ist hierbei, dass die Kündigung nur auf Umstände gestützt werden kann, die in der Person oder im Risikobereich des Kündigungsgegners begründet sind. Diese Voraussetzungen sind hier schon nicht gegeben. Grundsätzlich trägt der Mieter das Verwendungsrisiko der Mietsache, § 537 BGB. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sogenannte objektive Gebrauchshindernisse vorliegen. Unstreitig hat die Pandemie dazu geführt, dass der Präsenzunterricht an der Universität eingestellt wurde. Das stellt aber kein objektives Gebrauchshindernis für das vom Beklagten gemietete Studentenapartment dar, und nur darauf kommt es an: Das Apartment bleibt trotz Pandemie vollständig nutzbar. Der Beklagte hatte dort auch Internetanschluss, so dass er ohne weiteres von dort aus die virtuellen Vorlesungen hätte besuchen können. Der Vermieter trägt nur das Risiko der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache. Es ist auch nicht erkennbar, dass er die von der Klägerin zur Verfügung gestellte Wohnung schlechter als Wohnung hätte nutzen können, als den Wohnraum bei seinen Eltern in Frankenthal.
Aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) folgt auch kein Kündigungsrecht. Zunächst stellt der neue Art. 240 § 7 EGBGB klar, dass die widerlegliche Vermutung, wonach angesichts der Pandemie eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, gerade nicht für Wohnraum gilt. Auch mit sehr viel Phantasie lässt sich hier nicht hineinlesen, dass die Parteien eine bestimmte Form der Unterrichtsgestaltung an der TUM als Geschäftsgrundlage gewollt hatten. Zudem würde es an der Unzumutbarkeit des Festhaltens am Mietvertrag fehlen. Der pauschale Verweis auf die Pandemie begründet hier keinen Grund vom regulären Vertragsrisiko abzuweichen. Nur ergänzend sei angeführt, dass die Rechtsfolge bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 313 BGB nicht zwingend die Vertragsaufhebung wäre. Vielmehr ist der Anpassungsanspruch des § 313 Abs. 1 BGB nur auf eine angemessene Vertragsänderung gerichtet, die auch dem Vermieter unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zumutbar sein muss.“
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.