Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat am 16.03.2021 zum Aktenzeichen 8 ME 12/21 entschieden, dass die Pflegekammer Niedersachsen ihre Stellungnahme im Rahmen der Anhörung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen vom 25.11.2020 zurückziehen und die Veröffentlichung und Verbreitung dieser Stellungnahme unterlassen muss.
Aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 18/2021 vom 17.03.2021 ergibt sich:
Die Niedersächsische Landesregierung verfolgt gegenwärtig die Absicht, die Pflegekammer Niedersachsen aufzulösen. Nach Erarbeitung eines Gesetzentwurfs führte das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung eine Verbandsbeteiligung durch. Die Pflegekammer gab eine Stellungnahme ab, in der sie sich für ihren Erhalt aussprach und Rechtsausführungen machte. Diese Stellungnahme stellte sie auch auf ihrer Internetseite ein. Die Antragstellerin, ein Mitglied der Pflegekammer, stellte daraufhin einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Hannover, die Pflegekammer Niedersachsen zu verpflichten, die Stellungnahme zurückzuziehen und ihre Veröffentlichung und Verbreitung zu unterlassen. Dem Antrag gab das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Januar 2021 mit der Begründung statt, die Stellungnahme sei durch eine einseitige Darstellung und das Ausblenden von Gegenpositionen geprägt und stehe im Widerspruch zu den Maßstäben, die für Äußerungen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft gälten (Az.: 7 B 6300/20).
Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt.
Dass es sich um eine Stellungnahme in einer Verbandsbeteiligung handle, schließe gerichtlichen Rechtsschutz nicht aus. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse an einer unbeeinträchtigten Information des Ministeriums. Es überwiege aber das Interesse der Antragstellerin, Kompetenzüberschreitungen durch die Pflegekammer, deren Pflichtmitglied sie sei, abzuwehren. Der Pflegekammer werde eine Äußerung gegenüber dem Ministerium nicht unmöglich gemacht. Eine abwägende, die Gegenposition berücksichtigende Stellungnahme bleibe möglich. Zudem müsse eine gerichtliche Prüfung ohnedies erfolgen, weil sich die Pflegekammer mit der Verbreitung über das Internet auch an die Öffentlichkeit gewandt habe.
Äußerungen der Pflegekammer müssten bei besonders umstrittenen Themen auch die Minderheitenposition darstellen. Zu verlautbaren sei das abwägend gebildete Gesamtinteresse der Kammermitglieder. Diese Maßstäbe gälten auch dann, wenn es sich um eine Stellungnahme der Pflegekammer zu ihrer eigenen Auflösung gegenüber dem Ministerium handle. Art. 57 Abs. 1 Niedersächsische Verfassung garantiere zwar auch der Pflegekammer ein Recht auf Selbstverwaltung. Deswegen müsse sie im Rahmen ihrer Auflösung durch den Gesetzgeber angehört werden. In dieser Anhörung sei aber das Gesamtinteresse der Mitglieder darzustellen und nicht etwa ein davon zu unterscheidendes Existenzinteressse der Kammer „als solcher“. Zudem handle es sich bei der Verbandsbeteiligung durch das Ministerium noch nicht um die verfassungsrechtlich geforderte Anhörung, diese erfolge gesondert durch den Niedersächsischen Landtag.
Der Fortbestand der Antragsgegnerin sei, wie der Senat bereits festgestellt habe (vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 50/2020 des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2020), eine unter den Mitgliedern besonders umstrittene Frage. Deswegen hätte die Gegenposition Berücksichtigung finden müssen. Ihr Fehlen führe zur Unzulässigkeit des gesamten Inhalts der Stellungnahme. Außerdem liege ein Verfahrensmangel vor, weil die Stellungnahme sich nicht auf eine vorab zumindest in den Grundzügen von der Kammerversammlung beschlossene Positionierung habe stützen können. Soweit die Pflegekammer vortrage, dazu sei sie mangels ausreichender Kenntnis dieser Position nicht imstande, könne zumindest die Gegenposition als solche dargestellt werden. Eine nachträgliche Genehmigung der Stellungnahme durch die Kammerversammlung reiche nicht aus.
Der Beschluss ist unanfechtbar.