Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat mit Urteil vom 19.11.2020 – 5 Sa 240/20 entschieden, dass der kürzere Planungszeitraum von sonstiger Nachtarbeit im Gegensatz zu Nachtschichtarbeit zu einer schlechteren Planbarkeit für die betroffenen Arbeitnehmer führt.
Dies ist ein sachlich begründeter Umstand, aufgrund dessen die Tarifvertragsparteien die Zuschläge für Nachtschichtarbeit geringer festlegen dürfen als bei sonstiger Nachtarbeit.
Die Tarifvertragsparteien als Normgeber sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar, jedoch mittelbar grundrechtsgebunden. Der Schutzauftrag des Art. 1 Abs. 3 GG verpflichtet die staatlichen Arbeitsgerichte dazu, die Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien zu beschränken, wenn diese mit den Freiheits- oder Grundrechten oder anderen Rechten mit Verfassungsrang der Normunterworfenen kollidiert. Sie müssen insoweit praktisch Konkordanz herstellen. Der Schutzauftrag der Verfassung verpflichtet die Arbeitsgericht auch dazu, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Der Gleichheitsgrundsatz bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Tarifnormen sind deshalb im Ausgangspunkt uneingeschränkt am Gleichheitssatz zu messen.
Bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrages haben die Gerichte jedoch auch in den Blick zu nehmen, dass eine besondere Form der Grundrechtskollision bewältigt und die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit mit den betroffenen Individualgrundrechten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden muss. Bei der Prüfung, ob Tarifnormen Grundrechte oder andere Rechte der Arbeitnehmer mit Verfassungsrang verletzen, müssen die Gerichte nicht nur die besondere Sachnähe der Tarifvertragsparteien sondern außerdem beachten, dass sich die Arbeitnehmer im Regelfall durch den Beitritt zu ihrer Koalition oder durch die vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, die die Tarifnorm zum Vertragsinhalt macht, bewusst und freiwillig der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien auch für die Zukunft unterworfen haben. Den Tarifvertragsparteien steht als selbständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den die Arbeitsvertrags– und Betriebsparteien nicht im gleichen Maße verfügen. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Sie verfügen über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung und sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt.